Mehrere hundert Beschäftigte aus fünf Krankenhäusern der Region demonstrieren in Winnenden für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Winnenden - Der Applaus war wirklich schön und tat gut“, sagt Silke, „aber kaufen kann ich mir davon leider nichts.“ Die 37-jährige Intensivkrankenschwester vom Klinikum Ludwigsburg, die ihren richtigen Namen nicht so gerne in der Zeitung lesen will, ist zusammen mit mehreren hundert Beschäftigten aus fünf Krankenhäusern der Region einem Aufruf der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gefolgt und hat an diesem Mittwoch die Arbeit niedergelegt. Auf einer Kundgebung vor der Winnender Rems-Murr-Klinik haben sich die verschiedenen Berufsgruppen – von der Pflege- bis zur Reinigungskraft – für eine buchstäbliche Wertschätzung stark gemacht.

 

Übergangsregelung kommt nicht zustande

Die Gewerkschaft habe den jetzt entfachten Tarifstreit nicht gewollt, sagt Cuno Brune-Hägele vom Verdi-Bezirk Stuttgart. Man habe den Arbeitgebern vielmehr zur Überbrückung der schwierigen Corona-Zeit eine Übergangsregelung bis zum Frühjahr angeboten. Doch diese hätten die gereichte Hand rüde ausgeschlagen: „Die erste Reaktion war massives Schweigen“, sagt Brune-Hägele, „die zweite eine Unverschämtheit: 36 Monate Laufzeit und die schwäbische Variante: Mir gäbet nix“.

Deshalb sei man mittlerweile zu der Überzeugung gelangt: „Die Arbeitgeber brauchen den Druck.“ Zumal diese wohl darauf gesetzt hätten, dass die Arbeitnehmerseite in Corona-Zeiten nicht mobilisierungsfähig sei. Das aber sei eine fatale Fehleinschätzung, gibt sich Brune-Hägele kämpferisch.

An den vom Streik betroffenen Krankenhausstandorten – Winnenden, Schorndorf, Ludwigsburg, Markgröningen und Bietigheim – werde es an diesem Mittwoch lediglich eine zuvor vereinbarte Notfallversorgung geben, sagt der Gewerkschaftsfunktionär. Und dann ruft er die Menge vor dem Rems-Murr-Klinikum lautstark auf, ihm das Motto des Tages zu buchstabieren: „Gebt mir ein S, gebt mir ein t. . .“.

Pflegekraft: Nullrunde nicht akzeptabel

Auch Annette Lindenberger, Krankenschwester in Bietigheim und seit 30 Jahren als Pflegekraft tätig, stimmt mit ein. Sie ist wie alle anderen auch hochgradig enttäuscht von falschen Versprechungen – etwa der Pflegeprämie, die nur in Altenheimen ausgezahlt wurde. Und jetzt der Tarifstreit. „Erst bejubelt als systemrelevant, haben wir in der Corona-Hochphase alles gegeben, und jetzt sollen wir eine Nullrunde akzeptieren. Da mache ich nicht mit“, sagt sie.

Ein angemessener Lohn ist die eine Sache, für Christian Gojowczyk von der Betriebsseelsorge Ludwigsburg sind auch die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Gesundheitssystem nicht mehr zumutbar. „Jede Maschine, die auf Verschleiß läuft, geht kaputt – aber ihr seid keine Maschinen und auch nicht austauschbar“, ruft er den Streikenden zu.

Das betrifft offenbar nicht nur den Pflegebereich. Olga, 49, die ebenfalls nicht mit ihrem richtigen Namen benannt werden möchte, arbeitet als Reinigungskraft im Schorndorfer Krankenhaus. Die Arbeit sei so schon hart genug, „aber mit Corona ist immer noch etwas dazugekommen“. Das, sagt die alleinerziehende Mutter, müsse auch entsprechend bezahlt werden. Außerdem hat sie die Hoffnung auf einen Corona-Zuschuss noch nicht aufgegeben: „Andere Firmen bekommen auch einen Bonus, und da riskieren die Beschäftigten längst nicht so viel wie wir.“

Tarifstreit im Öffentlichen Dienst

Forderung
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fordert für die bundesweit 2,3 Millionen Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen 4,8 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 150 Euro mehr im Monat. Die Arbeitgeber haben in den ersten zwei Verhandlungsrunden noch kein Angebot vorgelegt. Die dritte Verhandlungsrunde ist für den 22. und 23. Oktober angesetzt.

Warnstreiks
Verdi ruft seit der vergangenen Woche in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Dienstes zu Warnstreiks auf. Zuletzt, am Dienstag, war vor allem der öffentliche Nahverkehr betroffen. Rund 5000 Beschäftigte im Land legten die Arbeit nieder.