Vor Beginn der CSU-Winterklausur herrscht eine ungewohnte Harmonie im Lager der Unionsparteien. Doch dieser Zustand wird nicht von Dauer sein, analysiert Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Herakles, der antike Held, hatte es im Kampf gegen das sagenhafte Ungeheuer Hydra mit einer Vielzahl von Köpfen zu tun, die ihm nicht wohlgesinnt waren. Bei Angela Merkel ist das Problem übersichtlicher und gleichwohl komplizierter als bisher: Als Horst Seehofer noch unumstritten das Haupt der CSU war, da war die bayerische Schwesterpartei schon unberechenbar. Jetzt verdreifacht sich diese Unberechenbarkeit: Neben Seehofer gibt es da noch Markus Söder, der Ministerpräsident werden will, und Alexander Dobrindt, der im Bundestag die CSU dirigiert. Durch deren Häupter geistern vielerlei politische Ideen und taktische Einfälle, die Merkel nicht immer gefallen werden. Für andere Christen mag das neue Jahr mit Dreikönig beginnen. Merkel hat es von nun an mit einer dreifaltigen CSU zu tun.

 

Der Parteiname „Union“ war im Wahljahr reiner Etikettenschwindel

Nach dem Wiedervereinigungsparteitag im Dezember, auf dem Seehofer seine Nachfolge regelte und Merkel zu Gast sein durfte, ohne weitere Demütigungen zu erfahren, herrscht vorerst Harmonie im Lager der Union. In deren bayerischer Filiale haben sie begriffen, dass ein Fortdauern der Diadochenkämpfe um Seehofers Erbe auf Selbstzerstörung hinauslaufen würde. Und solange die Machtfrage in Berlin unbeantwortet bleibt, wären weitere Angriffe gegen die Kanzlerin wie ein Schuss ins eigene Knie. Zudem ist diese der CSU auf dem strittigen Feld der Flüchtlingspolitik so weit entgegengekommen, dass es vorerst keines weiteren Aufbegehrens mehr bedarf. Das Wahlergebnis führte allen vor Augen, dass eine schwache CSU auch Merkel schwächt – oder wer auch immer für die CDU im Kanzleramt Platz nehmen möchte.

Ein kleiner Rückblick ist an dieser Stelle unabdingbar: Der Parteiname Union war im Wahljahr reiner Etikettenschwindel – von Einigkeit keine Spur. Seehofer und Merkel konnten ihren Zwist über die Flüchtlingspolitik nur unzureichend überpinseln. Egal was die Kanzlerin zu diesem Thema zu sagen hatte, aus Bayern tönte stets das gleiche Echo: „Obergrenze.“ Merkel wiederum war fahrlässig genug, wenige Tage vor der Wahl gar eine Garantie des Verzichts auf eine Obergrenze abzugeben. Natürlich kam es anders, auch wenn die Obergrenze nicht mehr so heißt. Seehofer die alleinige Schuld an der Wahlmisere der Union anzulasten ist eine Legende der Zeitgeschichte. Merkel trägt die gleiche Schuld.

Die künftigen Herren der CSU stehen unter Profilierungsdruck

Wie vielstimmig die dreiköpfige CSU der Kanzlerin künftig entgegentritt, ist noch unklar. Nur so viel steht fest: Wer die Parteigeschichte kennt, wird kaum mit einer ewig währenden Harmonie rechnen. Für die Dauer der Sondierungsgespräche und eventueller Koalitionsverhandlungen mit der SPD wäre es ratsam, wenn das weiß-blaue Triumvirat mit einer Zunge spricht. Dissens in Einzelfragen ist jedoch keineswegs ausgeschlossen. Sobald die Regierung aber steht und klar ist, auf welchem Posten Seehofer seinem Ruhestand entgegenamtiert, dürfte der Burgfrieden vorbei sein. Dann hat jeder der drei Herrschaften ein eigenes Interesse, sich in der jeweiligen Rolle zu profilieren. Das gilt am wenigsten für Seehofer, für die anderen beiden aber schon. Für Söder beginnt danach der Wahlkampf, Dobrindt muss seine Wichtigkeit unter Beweis stellen, um Seehofer als Parteichef beerben zu können. All das dürfte Merkel wenig bekömmlich sein.

Richtig ungemütlich würde es für sie, wenn sich mit der großen Koalition keine Hintertreppe in eine vierte Amtszeit eröffnet. Dann könnte ihr die dreiköpfige CSU schnell so gefährlich werden wie Hydra dem Herakles. Im Unterschied zu jenem würde Merkel dieses Abenteuer wohl kaum überstehen. Wenn Neuwahlen unumgänglich werden, wird die CSU auf einen Kanzlerkandidaten dringen, der ihre konservative Linie nicht ständig durchkreuzt. Der Luxus, der in Bayern geherrscht hat, wo es Thronerben im Überfluss gegeben hat, existiert in Merkels Partei allerdings nicht.