Zwei Männer geraten in der Silvesternacht aneinander. Der eine ist Polizeianwärter und zückt seinen Dienstausweis, dann kommt es zur Rangelei. Wegen Körperverletzung im Amt muss er sich in zweiter Instanz vor dem Landgericht verantworten.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Zwei Männer sind in der Silvesternacht auf dem Heimweg gewesen, der eine zu Fuß, der andere auf dem Rad. Der Radfahrer soll den Fußgänger gestreift haben. Daraus erwuchs eine handfeste Auseinandersetzung. Am Ende hat diese für beide Folgen, die sie ein Leben lang begleiten werden: Der Radfahrer erlitt eine zehn Zentimeter lange Platzwunde im Gesicht, eine Narbe bleibt. Der Fußgänger, der zugeschlagen haben soll, gab seinen Traumjob auf. Er wollte Polizist werden, man legte ihm nahe zu kündigen. Weil der Mann damals seinen Dienstausweis zückte, als er den Radfahrer anhalten wollte, wird der Schlag als Körperverletzung im Amt gewertet. Das Amtsgericht hat ihn deswegen zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der 22-Jährige aus Nordrhein -Westfalen ist in Berufung gegangen. Er will einen Freispruch. Am ersten Verhandlungstag schilderten er und der verletzte Radfahrer ihre Sicht der Dinge – und das sind zwei unterschiedliche Geschichten.Für den 22-Jährigen war die Silvesternacht 2012/13 gegen 3.15 Uhr zu Ende. Zwei Bier und einen Sekt habe er getrunken, sagte er vor dem Landgericht. Auf dem Heimweg in Heslach – zu der Zeit tat der Polizeianwärter in Stuttgart Dienst – streifte ihn ein Radfahrer am Arm. Er rief ihm, ganz Ordnungshüter, nach, er solle auf der Straße fahren oder wenigstens das Licht anmachen, erzählte der Angeklagte. Der Radfahrer sei zurückgekehrt, habe ihn aggressiv bedroht. „Ich knall dich ab“, soll er gesagt habe. Weil der Mann dabei in seinen Taschen gekramt habe, habe er befürchtet, der 45-Jährige würde eine Waffe zücken.

 

Eine Polizeistreife, die in der Nähe ist, greift ein

Er habe die Leitstelle angerufen und Verstärkung angefordert, sei dem Mann gefolgt, habe ihm den Dienstausweis gezeigt und ihn gegen eine Mauer gedrückt. „Das erschien mir als das mildeste Mittel“, sagte der 22-Jährige. Als die Richterin nachhakte, ob es nicht mildere Mittel gegeben habe, klingt es anders: „Dann nehme ich das mit dem milden Mittel zurück.“

„Er ist auf mich zugestürmt gekommen und hat mich seitlich gegen die Wand gestoßen“, so schilderte der 45-Jährige die Auseinandersetzung. Als ihm die Richterin vorhielt, er habe den jungen Mann bedroht, auch nachdem er sich als Polizist zu erkennen gegeben hatte, sagte der Mann: „Daran erinnere ich mich nicht, aber warum sollte ich so etwas sagen. Das wäre ja hirnrissig.“ Eine Polizeistreife war in der Nähe, trennte die Streithähne. Der 45-Jährige wurde ins Krankenhaus gebracht und versorgt. Als die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Polizeianwärter einleitete, habe man ihm geraten, von sich aus zu kündigen. Denn sonst hätte ihm im Falle einer Verurteilung – die vom Amtsgericht auch kam – gedroht, entlassen zu werden und dann seine Anwärterbezüge zurückzahlen zu müssen. „Es gab für mich ja kein Ziel, außer Polizist zu werden“, sagte er. Nun orientiere er sich neu, mache eine Ausbildung in der Krankenpflege.

Das Verfahren wird am Montag fortgesetzt, mit einem Urteil ist Anfang August zu rechnen.