Die Bürger fordern mehr Beteiligung. Allerdings hat sich in den vergangenen fünf Jahren in Baden-Württemberg nicht sehr viel getan.

Digital Desk: Anja Treiber (atr)

Stuttgart - Baden-Württemberg ist erfolgsverwöhnt: Bei der Bildungspolitik und in Wirtschaftsfragen rühmt sich der Südwesten toller Bilanzen. Aber es gibt auch die Statistiken, in denen das Land einen finsteren Kellerplatz belegt - zum Beispiel, wenn es um die Möglichkeiten zur direkten Demokratie geht. Der Verein Mehr Demokratie verbannt Baden-Württemberg dabei auf den vorletzten Platz. Nur das Saarland steht noch schlechter da. "In diesen beiden Ländern ist die direkte Demokratie zu großen Teilen ein Papiertiger", heißt es in der Auswertung des Vereins, der sich für mehr Bürgerbeteiligung starkmacht und die einzelnen Modelle in den Ländern qualitativ bewertet und vergleicht.

 

Auf den ersten drei Plätzen tummeln sich die Stadtstaaten Hamburg, Berlin sowie Bayern. Gerade im vergangenen Jahr haben deren Volksentscheide über die Schulreform und über den Nichtraucherschutz bundesweit Aufsehen erregt. Im Südwesten ist auf Landesebene noch nie ein Volksentscheid zustande gekommen. Das Problem sind die vergleichsweise hohen Hürden, die überwunden werden müssen (siehe Infokasten). Im bundesweiten Trend sinkt das durchschnittliche Unterschriftenquorum für Volksbegehren - von 18 Prozent im Jahr 1989 auf aktuell elf Prozent. An Baden-Württemberg ist diese Entwicklung vorübergegangen.

In ihrem Koalitionsvertrag hat die schwarz-gelbe Landesregierung 2006 zwar versprochen: "Den Wunsch nach mehr direkter Volksbeteiligung an staatlichen Entscheidungsprozessen nehmen wir ernst." Passiert ist aber wenig: Die Regierungsfraktionen haben einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der eine Absenkung des Quorums für die Volksabstimmung von derzeit einem Drittel auf ein Viertel der Wahlberechtigten senken sollte. Das Quorum zum Volksbegehren, das noch vor dem Entscheid gemeistert werden muss, sollte aber unverändert bleiben. Mitte Februar haben CDU und Liberale diesen Entwurf wieder zurückgezogen, weil sie keine Chance auf die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung gesehen haben. Der Opposition ging dieser Vorschlag nämlich nicht weit genug. Sie forderte, das Quorum auf fünf Prozent der Stimmberechtigten zu reduzieren. Außerdem solle der Zeitraum, die Stimmen zu sammeln, von zwei Wochen auf sechs Monate ausgedehnt werden und auf der Straße möglich sein.

Bürger stärker einbinden

Jüngst startete die Landesregierung noch eine Bundesratsinitiative, die die Bürger in einer sogenannten Vorerörterung bei Großprojekten stärker einbinden soll. Auf kommunaler Ebene galt der Südwesten einst als Vorreiter der direkten Demokratie. Baden-Württemberg hat 1956 als erstes Land Bürgerbegehren und Bürgerentscheide eingeführt. 2005, also noch in der vorherigen Legislaturperiode, hat die Landespolitik die Gemeindeordnung reformiert und die direkte Demokratie begünstigt. Die Quoren für Begehren und Entscheide wurden gesenkt und eine größere Bandbreite an Themen zugelassen. In der aktuellen Legislaturperiode hat es keine weiteren Reformen gegeben.

Seit der Reform von 2005 ist die Zahl der Bürgerbegehren nach Zählung von Mehr Demokratie um fast 80 Prozent gestiegen, von durchschnittlich jährlich 13 auf 24 Verfahren landesweit. Circa sechs Abstimmungen mehr hat es im Durchschnitt pro Jahr gegeben. Die meisten Begehren in den vergangenen zehn Jahren hatten öffentliche Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen, Sozial- und Bildungsinstitutionen sowie Verkehrs- und Wirtschaftsprojekte (jeweils rund 20 Prozent) zum Thema. Der Verein Mehr Demokratie benotet die Verfahren auf kommunaler Ebene dennoch schlecht, unter anderem weil sie zu Bauleitplanungen nicht möglich sind, und weil das Bürgerbegehren gegen Gemeinderatsbeschlüsse auf sechs Wochen befristet ist.

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