Der Langwieser See soll durch eine Baustelle am Flughafen verschmutzt worden sein. Das vermeintliche Fischsterben, das Lokalpolitiker erlebt haben wollen, hat es aber so offenbar nie gegeben.

Plieningen - Es klingt dramatisch, was der SPD-Sprecher im Plieninger Bezirksbeirat, Ulrich Berger, schildert. Im November soll es im Langwieser See ein regelrechtes Massaker gegeben haben. „Alle Fische sind verendet, auch die Schildkröten sind weg, und von den Enten ist ebenfalls keine Spur mehr zu finden“, sagt Berger.

 

Er erhebt schwere Vorwürfe: Beim Abriss des Flughafen-Parkhauses P 10 sei es durch Einleitung von verschmutztem Wasser zu dem Fischsterben in dem Gewässer im Westen von Plieningen gekommen. Das Parkhaus wurde kürzlich abgerissen, weil Platz für den Bau der neuen Firmenzentrale von Ernst&Young gebraucht wird – die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wird bald mit 1500 Mitarbeitern an den Flughafen ziehen. Berger erklärt seinen Verdacht so: In die Rückhaltebecken vor dem Langwieser See würde Oberflächenwasser von Messe und Flughafen eingeleitet. „Beim Abriss des Parkhauses wurde viel Wasser in die Baustelle gespritzt, um die Staubentwicklung gering zu halten“, sagt er. Dieses verschmutzte Wasser sei dann von den überfüllten Rückhaltebecken in den Langwieser See geflossen und habe das Fischsterben ausgelöst. So überzeugt war Berger von seiner Vermutung, dass er sie als Antrag in die Bezirksbeiratssitzung am Montag eingebracht hat.

Das Massensterben hat es offenbar nie gegeben

Auch die Grünen im Stuttgarter Gemeinderat haben – aufgeschreckt vom vermeintlichen Fischsterben – das Thema aufgegriffen. Ebenfalls in einem Antrag fordern sie das Amt für Umweltschutz auf, umgehend den Zustand des Langwieser Sees in Sachen Wasserqualität, Flora und Fauna zu untersuchen. Sie erwarten eine Aufklärung bis spätestens Ende März im gemeinderätlichen Ausschuss für Umwelt und Technik (UTA). Zudem will die Grünen-Fraktion wissen, wie der Langwieser See künftig besser gegen derartige Verschmutzungen geschützt werden könne.

Allein, das mysteriöse Fischmassaker hat es offenbar nie gegeben. „An der Geschichte ist nichts dran“, sagt Walter Hafner. Er ist einer der drei Männer, denen die Stadt den Langwieser See als sogenanntes Fischwasser verpachtet hat. Mithin ist Hafner für den Bestand verantwortlich. „In den 17 Jahren, in denen ich den See gepachtet habe, hab ich keine zehn toten Fische gesehen“, beteuert er.

Spaziergänger haben ein paar tote Fische entdeckt

Wie die Geschichte um das angebliche Fischsterben zustande kam, kann Hafner sich nicht erklären. Er rekonstruiert das Ganze folgendermaßen: „An einem Wochenende im Oktober haben wir etwa 40 000 junge Weißfische im Langwieser See ausgesetzt.“ Dies sei im Rahmen der Bestandspflege ein normaler Vorgang, jedes Jahr würden er und seine Mitpächter Fische im Wert von etwa 1000 Euro dort ansiedeln. Durch den Transport seien einige der Jungfische verendet. „Die trieben dann natürlich an der Wasseroberfläche. Das haben Spaziergänger entdeckt und bei der Polizei angezeigt“, erzählt Hafner. Mit den Beamten hätten die Pächter sofort einen Vor-Ort-Termin vereinbart. Dabei habe sich dann geklärt, dass es sich um einen harmlosen Vorfall gehandelt habe. Für Hafner ist klar: „Wenn es eine Verunreinigung gegeben hätte, wären wir als Pächter doch längst auf die Barrikaden gegangen. Das wäre ja unser eigener finanzieller Schaden, da würden wir Regressansprüche geltend machen.“

Auch beim Flughafen ist der Vorfall registriert worden – allerdings ebenfalls als eher harmlose Begebenheit. Tatsächlich hätten Spaziergänger an jenem Oktoberwochenende vier tote Fische von etwa fünf Zentimeter Länge im Langwieser See bemerkt, berichtet der Flughafen-Sprecher Volkmar Kraemer. Bei einer Ortsbegehung mit Flughafen-Mitarbeitern seien insgesamt 15 verendete Fische entdeckt worden. „Daraufhin wurde umgehend der PH-Wert des Wassers untersucht“, sagt Kraemer. Es habe sich herausgestellt, dass dieser erhöht war. Der Verdacht habe nahe gelegen, dass das Wasser durch Zementstaub verunreinigt worden sei, der beim Abriss des Parkhauses P 10 entstanden und in den See gespült worden sei. „Die entsprechenden Abläufe von der Abbruchstelle des Parkhauses in Richtung See wurden sofort geschlossen, so dass kein weiteres Regenwasser von der Abbruchstelle in den See gelangen konnte“, sagt Kraemer. Am nächsten Tag habe es wieder einen Ortstermin gegeben – dabei seien keine toten Fische mehr zu finden gewesen, auch der PH-Wert im Wasser sei unauffällig gewesen. „Es erfolgten weiter ständige Kontrollen der Wasserqualität des Sees – mit dem Resultat, dass diese jetzt in Ordnung ist“, so der Flughafensprecher.

„Längst gemerkt, wenn es ein Problem gäbe“

Dem schließt sich Walter Hafner an: „Wir haben das am besten geprüfte Fischwasser in ganz Stuttgart. Wir hätten längst gemerkt, wenn es ein Problem gäbe.“ Für ihn ist die Geschichte um das mysteriöse Fischsterben deshalb vor allem eines: eine große Posse.