Die jüngste Historie der Glems steht für ein Umdenken im Umgang mit den Segnungen der Natur.

Leonberg - Es hieß damals, auch nur einen Fuß in die trübe, schäumende Brühe zu tauchen, reicht aus, um einen zu vergiften“, erinnert sich Dirk Jeutter an seine Jugendjahre zurück. Der gefährliche Ort, vor dem der heutige Höfinger Ortschaftsrat und stellvertretende Ortsvorsteher sowie Leonberger CDU-Stadtrat seinerzeit so eindringlich gewarnt wurde, war die Glems im Höfinger Täle. Mit der Jagst konkurrierte sie damals als das belastetste Gewässer im Land.

 

Lesen Sie hier: Die Glems fließt nicht mehr im Betonkorsett

„An jedem Tag des Jahres sollte man sich vor Augen führen, wie wichtig der pflegliche Umgang mit dem lebensnotwendigen Nass ist“, sagt Dirk Jeutter. Der desolate Zustand der Glems sei seinerzeit der Wendepunkt im Umdenken vor Ort gewesen. Die erste große städtische Kläranlage bei der Felsensägmühle wurde gebaut. Die ist inzwischen längst Geschichte und wurde als Ausgleich für den Autobahnausbau abgerissen. Die Glems und ihre Ufer sind in einen natürlichen Zustand gebracht.

Artenvielfalt als Zeichen der Qualität

Viele haben an einem Strang gezogen, damit die Glems wieder sauber wird: Gemeinderat, Stadtverwaltung, Land, Region, Landkreis, Umweltschützer. Unter den letzteren ist auch die private „Interessensgemeinschaft Glems“ gewesen, der auch Altbürgermeister Dieter Ortlieb angehört. Die hatte die Glems zwar als Angelgewässer in Obhut genommen, aber sich eher um die Artenvielfalt in dem Gewässer verdient gemacht. „Heute gibt es hier Forellen, und seltene Muscheln haben sich wieder angesiedelt. Ein Zeichen für die recht gute Wasserqualität in der Glems“, freut sich Dirk Jeutter.

Das jüngste Projekt, das die Aufwertung der Glems als Ziel hat und vor allem ihre Bedeutung als Lebensraum für eine vielfältige Fauna und Flora dokumentiert und sie gleichzeitig in das Bewusstsein der Menschen als etwas Schützenswertes rückt, ist das Vorhaben „Naturerfahrungsraum“ entlang des Flusses. Es geht darum, die Natur mit dem Bewusstsein der Sinne zu erfahren. Spatenstich dafür ist 2019 gewesen, und das meiste ist verwirklicht. Doch den symbolischen offiziellen Festakt hat Corona verhindert.

Die Stadt erbt 650000 Euro

Die Vorgeschichte von „Naturerfahrungsraum“ begann 2008, als die Eheleute Marianne und Erwin Beck der Stadt als Alleinerbin ihr Vermögen in Höhe von rund 650 000 Euro vermacht haben, mit der Maßgabe, es für Höfingen zu verwenden. Von 2016 an haben der Ortschaftsrat, die Ortsverwaltung und eine breite Bürgerbeteiligung etwa 20 Ideen für Einzelprojekte entwickelt. Davon gab das Gremium acht zur Prüfung in die Verwaltung. Übrig geblieben sind drei Projekte: eine Seilbahn auf dem    Spielplatz Albert-Schweitzer-Straße, die Umgestaltung des Rathausplatzes und der Naturerfahrungsraum Höfinger Täle (250 000 Euro).

Lesen Sie hier: Ein Fenster in die Landschaft tut sich auf

Der Naturerfahrungsraum Höfinger Täle kostet allerdings rund 310 000 Euro. Aber da ist auch die Region Stuttgart mit 60 000 Euro Fördergeldern aus dem Programm „Landschaftsparks“ eingestiegen. Ziel des Höfinger Projektes ist es, Pilot für die anderen Anliegerkommunen der Glems zu sein, die Idee der Erlebbarkeit des Flusses und der Stärkung des Naturraumes im urbanen Gefüge perlenschnurartig fortzuführen.

Treppenpfad an die Glems

Bei den „Hauerlöcher“ entstand ein Sichtfenster, um auf die steile Wand aus Muschelkalkfelsen aufmerksam zu machen, und dazu ein Verweilpunkt für Wanderer und Radler des Glemsmühlenweges. Der Amphibienweg wurde neu geordnet. Bei der TSV-Sportanlage ist die Glems sichtbar gemacht, indem der Damm zurück versetzt wurde und Terrassen und Sitzmöglichkeiten in der Uferböschung entstanden. Am „Tilgshäuslesbach“ wurde ein natürlicher, mäandrierender Verlauf geschaffen. An der „Tilgshäuslesmühle“ lädt ein Treppenpfad an die Glems zum Spielen am Wasser ein.

„Besonders dieser Pfad kommt bei jungen Familien mit Kindern gut an“, freut sich Dirk Jeutter. „Es ist ein tolles Projekt, das der Glems und den Bürgern zugute kommt“, sagt der stellvertretende Höfinger Ortsvorsteher zufrieden. „Alles in allem ist das Vorhaben Naturerfahrungsraum sinnvoll angelegtes Geld.“