In den Neunzigern war er ein erfolgreicher Motocross-Fahrer. Nun ist der 54-Jährige aus einer Altkreisgemeinde zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Der seit einem schweren Motorradunfall schwerbehinderte Mann musste sich wegen zahlreicher Delikte vor dem Leonberger Schöffengericht verantworten.

Leonberg - In den Neunzigern war er ein erfolgreicher Motocross-Fahrer. Nun ist der 54-Jährige aus einer Altkreisgemeinde zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Der seit einem schweren Motorradunfall schwerbehinderte Mann musste sich wegen zahlreicher Delikte vor dem Leonberger Schöffengericht verantworten, darunter Diebstahl, vorsätzliche Körperverletzung, Fahren ohne Führerschein, Urkundenfälschung sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

 

Laut Anklage entwendete der ausgebildete Mechatroniker im Dezember 2010 einen Parfüm-Tester im Leo-Center. Als er das Kaufhaus verließ, stellte ihn ein Sicherheitsmann, doch er flüchtete. Die Polizei tappte im Dunkeln. Bis zu einem Aufruf in der LKZ um sachdienliche Hinweise. Es meldete sich: der Täter persönlich. „Ich habe der Polizei geschrieben, damit sie auf die Sicherheitsleute aufmerksam wird, es gibt da nämlich viele schwarze Schafe“, erklärte der Täter vor Gericht. In dem Brief hatte er aber zugleich seine Schuld eingeräumt. Von seiner Unschuld überzeugt war der Angeklagte indes im Oktober 2011. Damals soll der 54-Jährige bei einem Autoverkäufer im Leonberger Gewerbegebiet ein Fahrzeug entwendet haben. Anschließend brachte er das Kennzeichen eines abgestellten Lkw an. „Ich wollte die Schrottkarre nicht klauen“, entgegnete der Angeklagte. „Ich bin ein paar Straßen weiter gefahren, dann habe ich mich provokativ neben das Auto gestellt und auf die Händler gewartet.“ Mit der fragwürdigen Aktion habe der 54-Jährige lediglich seinen Unmut über einen früheren Autokauf zum Ausdruck bringen wollen, erklärte er.

Angeklagter beißt Polizistin

Ärger mit Autohändlern

Kurz darauf hatten die beiden Autohändler den Angeklagten gefunden und ihn überwältigt. „Ich lag blutend auf dem Boden, als die Polizei eintraf“, warf der Angeklagte ein. Er wollte ins Krankenhaus, die Polizei auf die Wache. „Das DRK hatte aber schon die nötigen Maßnahmen ergriffen“, berichtete die geladene Polizistin. In der Folge sei der Angeklagte ausfällig geworden, habe zugebissen und sich gesträubt, in den Streifenwagen einzusteigen. Eine Blutprobe ergab einen Alkoholgehalt von 0,6 Promille. Sein Führerschein wurde daraufhin vorläufig eingezogen.

Fahren ohne Führerschein wurde dem ehemaligen Motocross-Profi wenige Tage später bei einer Spritztour nach Rutesheim zum Verhängnis. Im Gewerbegebiet fuhr er angetrunken auf einer Wiese umher und warf Bälle und ein Fahrrad aus dem Fenster. Als er bemerkte, dass er von einem Passanten beobachtet wurde, fuhr er auf diesen zu und wich erst in letzter Sekunde aus. Nach der Beweisaufnahme wurde klar, dass die Taten des Mannes nicht nur einem Alkoholproblem geschuldet waren. Licht in die Sache brachte die ehemalige Lebensgefährtin des Angeklagten. Die 45-Jährige erzählte von dem schweren Unfall des Beschuldigten bei einer Motocross-Rallye in Namibia Anfang 2000, von gebrochenen Lendenwirbeln und einer massiven Hirnblutung. „Er konnte weder essen noch sprechen und wurde schnell aggressiv“, schilderte sie. Vor dem Unfall sei er gutmütig und ein vorbildlicher Berufssportler gewesen, der keinen Alkohol getrunken habe.

Arzt bescheinigt organische Persönlichkeitsstörung

Der geladene Nervenarzt bestätigte, dass das seltsame Verhalten des Angeklagten in Verbindung mit dem Motorradunfall stehe. „Der Unfall löste eine organische Persönlichkeitsstörung aus“, sagte der Psychologe. Die Folgen: paranoide Züge und das Befriedigen der Bedürfnisse ohne Rücksicht auf Konsequenzen.

„Der Tod der Mutter, die der Angeklagte nach seinem Unfall jahrelang pflegte“, resümierte der Psychologe, „hat der Störung einen weiteren Schub verpasst.“ Nicht zuletzt begünstige aber auch der Alkoholkonsum die Verhaltensmuster.

Tod der Mutter verstärkt Störung

Folglich habe auch zwischen den Taten und seinem gesundheitlichen Befinden ein gewisser Zusammenhang bestanden. Der Staatsanwalt forderte eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten zur dreijährigen Bewährung, dazu ein Bußgeld von 2000 Euro. Der Verteidiger plädierte hingegen für einen Freispruch, zog aber im Falle einer Verurteilung des von einer Rente lebenden Mannes Arbeitsstunden als angemessenes Strafmaß in Betracht.

Der Richter schloss sich der Forderung des Staatsanwalts an, ein Bußgeld lehnte er jedoch ab. Dafür wurde der 54-Jährige, der sich bereits des Diebstahls und der Körperverletzung strafbar gemacht hatte, einem Bewährungshelfer unterstellt. Zudem muss er 100 Arbeitsstunden leisten und seinen Führerschein ist er endgültig los. „Sie müssen ruhiger werden und am besten Finger weg vom Alkohol“, riet der Richter und übergab dem Mann nach der fünfstündigen Verhandlung ein Fahrrad, ein Autoradio und einen Kunststoff-Grabstein. Diese „Sachspenden“ hatte der Angeklagte vor dem Amtsgericht deponiert – „um mich mental zu befreien“.