Nach 64 Jahren stellt die Gärtnerei Stammel in Höfingen ihren Betrieb ein. Das Gelände und die Glashäuser werden nun an einen salatproduzierenden Bioland-Betrieb verpachtet.

Es ist die Erfolgsgeschichte zweier junger Menschen, die ihr Schicksal in die Hand genommen haben. 1959 haben Rosalia und Matthias Stammel in Höfingen ihre Gärtnerei gegründet. Mit ihren Familien hatte es sie 1945 nach Bad Mergentheim verschlagen. Denn sie waren Donauschwaben, die das bislang faschistische und von Miklos Horthy geführte Ungarn vertrieben hatte. Diese Schwaben haben sich schon zu Zeiten der Donaumonarchie vehement der nationalistischen Magyarisierungspolitik widersetzt.

 

Gärtner statt Schiffsbauer

Matthias Stammel, dessen Vater in Ungarn ein gut situierter Bauer war, hatte als Jugendlicher ganz andere Pläne. Nach dem Abitur in Budapest wollte er Schiffsbau studieren, doch die Weltpolitik machte ihm einen Strich durch die Rechnung. In der Gegend von Bad Mergentheim gab es für das mittellose Vertriebenenkind keine große Berufsauswahl, und so trat er eine Ausbildung als Gärtner an. Hier lernte er seine Frau Rosalia, ebenfalls ein Vertriebenenkind, kennen und lieben. Und sie sollte es sein, die die Familie nach Höfingen brachte.

Matthias Stammel nahm eine Stelle bei einem Gipser im Ort an, und das Paar mietete ein Haus im Höfinger Täle. Zuerst wurde Tochter Roswitha geboren, 1956 Sohn Franz, 1958 folgte dann Klaus. Doch die Berufung von Matthias Stammel war die Gärtnerei. Am Glemsufer im Höfinger Täle begann er das Gärtnern mit Himbeeren, Stachelbeeren und Träuble für einen Großabnehmer. Das Geschäft war erfolgreich, und die Familie stieg 1959 ganz auf den Gemüsebau um. Vier größere Äcker im Umland für den Gemüsebau kamen hinzu. 1961 wurde Tochter Andrea geboren, 1963 folgte Sohn Matthias und 1965 das Nesthäkchen Elke. Und dann bekam Matthias Stammel 1973 ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte. Ein Höfinger Landwirt bot ihm eine größere Fläche im Gewann Hafenscherben in Richtung Ditzingen zum Kauf an. Das Gelände sei für den Getreidebau völlig ungeeignet, der Boden ständig nass und kaum zu beackern, meinte der Besitzer.

Ideale Fläche im Hafenscherben

Für den Gemüsebau erwies sich die Fläche allerdings als ideal. Es gibt eine eigene Quelle, und der Riedgraben, der sich von Westen nach Osten durch das Gelände zieht, führte bis zu 20 Liter Wasser in der Sekunde – heute ist er ausgetrocknet und führt nur bei Starkregen Wasser. 1974 siedelte sich der Betrieb Am Hafenscherben an. Ein Wohnhaus wurde errichtet. Das erste Gewächshaus stammte von der ehemaligen Gärtnerei auf dem Gelände des späteren Leo-Centers. Wenig später wurde eine eigene große Gewächshausanlage erstellt. Der Gärtnereibetrieb wuchs auf eine Fläche von rund acht Hektar an. Mattias Stammel eröffnete Verkaufsstände auf Wochenmärkten. Als seine letzte eigene Großinvestition kamen 1990 rund 2000 Quadratmeter Gewächshäuser aus Luftpolsterfolie dazu. Immer mittendrin die sechs Kinder, die später als Jugendliche in den Betrieb und den Verkauf eingebunden waren. So verwunderte es nicht, dass die Jungs die Ausbildung zum Gärtnermeister machten und auch bei den Mädchen der Apfel nicht weit vom Stamm fiel. „Ohne diesen Zusammenhalt der Familie wäre das Ganze nicht zu stemmen gewesen“, sagt Klaus Stammel im Rückblick.

Im Jahr 1993 setzte sich Matthias Stammel aufs Altenteil, aber nur bei der Leitung des Betriebes. Den übergab er an die Kinder Klaus Stammel, Matthias Stammel und Roswitha Mergel. „Solange es seine Kräfte zuließen, werkelte der Vater aber von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weiter in den Gewächshäusern, in den Folientunnels, auf den Gemüseflächen – er war eben Gärtner mit Leib und Seele“, sagt Klaus Stammel. Matthias Stammel verstarb 2013 im Alter von 81 Jahren. Rosalia Stammel feiert in Kürze ihren 88. Geburtstag.

Das neue Leitungstrio hat viel investiert und den Betrieb erweitert. 1995 kam die große Mehrzweckhalle mit zwei Kühlhäusern dazu. 1998 wurde der Hofladen eingerichtet. Um das Regenwasser der gesamten verbauten Fläche zu speichern, wurde 2000 ein Regenrückhaltebecken mit 300 000 Liter gebaut. Im gleichen Jahr ging eine voll computergesteuerte Gewächshausanlage mit 2000 Quadratmeter in Betrieb, sodass dem Betrieb 6000 Quadratmeter Glashausflächen für die ganzjährige Produktion zu Verfügung standen. Die notwendige Wärme erzeugt seit 2002 eine in der Gegend einzigartige Holzhackschnitzelheizanlage.

Auf dem Markt

Auch die Wochenmarktpräsenz wurde ausgebaut. Mittwochs sind die Stammels mit ihren Ständen in Leonberg und Höfingen, freitags in Weilimdorf und Renningen – und samstags in Leonberg, Rutesheim, Ditzingen und Feuerbach gewesen. Der Schwerpunkt der Produktion der Gärtnerei sind seit jeher Karotten. Rund 50 000 Kilogramm wurden übers Jahr selbst vermarktet. Unter Glas sind Tomaten, Gurken, Paprika und Auberginen die Hauptkulturen gewesen. Im Freiland gedeiht alles von A wie Ackersalat bis Z wie Zucchini. Hinzu kommen noch bis zu drei Hektar Erdbeeren, davon eine große Fläche zum Selberpflücken.

Die Zukunft des bisherigen Betriebes liegt nach 64 Jahren nun in der Bioland-Produktion. Der Hof wird nicht verkauft, nur verpachtet. Der Pächter wird Salat für den Großhandel erzeugen. Dafür müssen die Flächen zwei Jahre stillliegen. Ein Bioland-Milchbetrieb wird in dieser Zeit Grünfutter aussäen und es an seine Tiere verfüttern. Matthias Stammel wird noch für einige Jahre an seinem Stand auf den Wochenmärkten in Höfingen (Mittwoch), Renningen (Freitag) und Ditzingen (Samstag) frische Ware anbieten. Der Hofladen ist geschlossen.