Gefährdete Insekten sollen im Neubaugebiet Ezach III ein neues Zuhause finden.

Leonberg - Gepflegter englischer Rasen sieht anders aus. Auf einem rund 500 Quadratmeter großen Wiesenstück an der Ellwanger Straße im Neubaugebiet Ezach III stehen Margeriten, Schafgarbe, Rotklee und Co. kniehoch – mit voller Absicht. „Hier wurde nicht vergessen zu mähen, hier soll Lebensraum für Schmetterlinge, Bienen und Co. entstehen“ steht auf einem Schild daneben, auf dem eine Biene im Stil von Maja den Betrachter anlächelt – darunter eine Kontaktadresse des Nabu-Ortsvereins Leonberg.

 

Blühwiesen werden nur zweimal im Jahr gemäht

Elke Selig, Vorsitzende des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) in Leonberg, und ihr Mann Rainer haben vor knapp zwei Jahren ein Haus im Ezach III gebaut. Dem Mehr an Beton wollen sie etwas entgegensetzen. „Wir wollen der Natur Raum zum Entfalten lassen, damit Insekten wieder eine Nahrungsgrundlage haben“, erklärt Elke Selig. Auf Wunsch des Nabu werden drei Wiesengrundstücke an der Ellwanger Straße und am Lichtensteiner Weg aus dem kommunalen Pflegeplan herausgenommen, damit die vorhandenen Pflanzen auch über die Blütezeit hinaus stehen bleiben und aussamen können.

„Auch Blühwiesen werden gemäht, aber nur zweimal im Jahr, meistens im Juni und Oktober“, erläutert Rainer Selig, der als Beisitzer im Nabu-Ortsverein aktiv ist. Ein kleines Stück zwischen Randstein und Blühwiese wird kurz gehalten, damit große Stauden nicht auf die Straße fallen und den schwäbischen Ordnungssinn in Aufruhr bringen. „Für den ein oder anderen wird die Wiese dennoch ungepflegt erscheinen, aber die Natur hat andere Maßstäbe als der Mensch“, sagt Rainer Selig. Wichtig sei, dass weder Tiere noch Menschen die Blühwiese betreten und blühende Pflanzen zertreten. Auch das Pflücken einzelner Pflanzen verhindert die natürliche Ausbreitung der Wiese.

Verwaltung will ein Konzept für die ganze Stadt

Bei Baubürgermeister Klaus Brenner ist der Nabu-Ortsverein mit der Idee seiner Blühwiesen auf offene Ohren gestoßen: „Wir haben den Auftrag vom Gemeinderat, mehr Blühwiesen umzusetzen. In diesem Jahr machen wir das noch exemplarisch an einigen Stellen, doch bis zum Herbst wollen wir ein Konzept für die ganze Stadt entwickelt haben“, sagt Brenner.

Auf den Blühwiesen sollten möglichst ganzjährig Pflanzen wachsen, sodass „die Leute beim Vorbeifahren ruhig mal ,Wow‘ sagen“, so der Baubürgermeister. Roger Roth, Abteilungsleiter im Tiefbauamt, verweist auf die Blühbeete in der Carl-Schmincke-Straße, wo schon jetzt Pflanzen unterschiedlich lang gedeihen. „Auch die alte Autobahntrasse wäre ein guter Ort für eine Blühwiese“, ergänzt er.

Für Elke Selig ist das Experiment mit den Blühwiesen im Ezach III, die zunächst auf drei Jahre angelegt sind, ein Versuchsballon ohne jedes Risiko. „Wenn man sieht, dass dann nur Löwenzahn wächst, kann man die Wiese immer noch umgraben und neu beginnen“, sagt sie. „Schlechtestenfalls sind wir in drei Jahren so weit wie jetzt.“