190 Jahre Zeitungstradition in Leonberg – vom königlich genehmigten Intelligenzblatt-Blatt zur ersten lizenzfreien Heimatzeitung im deutschen Südwesten. Seit fast zwei Jahrhunderten im politischen Stadtgeschehen verankert und Chronist des Zeitgeistes.

Vor 190 Jahren ist in Leonberg eine neue Ära angebrochen: Wer Neuigkeiten erfahren wollte, musste sie sich nicht mehr von Reisenden an den Kutschenstationen holen oder als Bürger darauf warten, bis die neuesten Nachrichten aus dem Königreich vom amtlichen Büttel ausgetrommelt wurden. Wer es sich leisten konnte, hatte eine Zeitung, denn jetzt informierte das „Intelligenz-Blatt für die Oberamtsbezirke Böblingen und Leonberg“ seine Leserschaft „mit Königlich Württemberg’scher allergnädigster Genehmigung“. Herausgeber war der Böblinger Drucker und Verleger Friedrich Landbeck.

 

„Leonberg. (Verlassenes Handelsgut) Am 20. December d. J. (1832), Abends, wurde an der Kirchhof-Mauer des Orts Münklingen, gegen den Badenschen Ort Neuhausen zu, ein Sack mit 4 Zuckerhüten gefunden. Der Eigenthümer dieses Waare wird nun aufgefordert, seine Ansprüche an dieselbe bei der unterzeichneten Stelle binnen 6 Monate geltend zu machen, widrigenfalls Confiscation erkannt werden wird. 27. Dezember 1832, Königli. Oberamt.“ Mit dieser Nachricht ist die Zeitungsgeschichte in Leonberg gestartet. Doch die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass sich jemand gemeldet hat, denn der Zucker, der damals als Kegel zu etwa vier Kilogramm im Verkehr war, ist nämlich Schmuggelgut aus Baden gewesen.

Selbstbewusstes Bürgertum wollte sich bilden

Doch es dauerte noch fünf Jahre, bis der umtriebige Leonberger Buchdruckereibesitzer, Gemeinderat, Auswanderungsagent Friedrich Röcker im Jahr 1838 das „Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamtsbezirk Leonberg“ herausgab. Er hatte bis dahin Formulare und Urkunden in seinem Atelier in der Zwerchstraße gedruckt, als er im Jahr 1838 zum Verleger aufstieg. Ein selbstbewusstes Bürgertum war auch hier erstarkt, das am gesellschaftlichen Leben teilhaben und sich bilden wollte, um mitreden zu können. Und es wollte sich nicht mehr sagen lassen, was es zu sagen hatte.

So fanden sich in der vierseitigen Ausgabe eine Seite mit amtlichen und eine mit privaten Mitteilungen. 1843 war das Blatt in 80 Gemeinden verbreitet und hatte 160 Leser. Deren Zahl erhöhte sich durch Mitleser, die es für ein Entgelt beim Abonnenten ausliehen. Röcker hat auch 1861 die erste organisierte Leonberger Feuerwehr aus der Taufe gehoben, deren erster Kommandant er war. Beinahe so oft, wie die Zeitung ihre Blattgröße veränderte, wechselte sie ihren Namen, je nach Verbreitungsgebiet. Seit 1840 war sie auch Amtsblatt für Stuttgart, ab 1863 nannte sich das Blatt „Glems-Bote“. Nach der Übernahme durch den Buchdrucker Sigmund Lindenberger 1866 änderte sich der Name in „Glems- und Filderbote“, später in „Glems- und Würmgauzeitung“. Einher ging ein häufigeres Erscheinen – 1892 brachte es das Blatt auf fünf Ausgaben in der Woche und nahm die Bezeichnung „Tagblatt“ in den Zeitungskopf auf. Als „Glems und Würm-Gauzeitung“ erscheint die Zeitung dann von 1879 bis 1905.

Gedichte von Christian Wagner abgedruckt

Sigmund Lindenberger wurde 1843 in Schwäbisch Hall geboren. Im Jahre 1868 erwarb er von seinem Vorgänger Friedrich Röcker in Leonberg dessen Verlag und Buchdruckerei. Lindenberger war Verleger, Redakteur, Liederdichter, Dichter, Schriftsteller, deshalb verwundert es auch nicht, dass er ein guter Freund und Unterstützer des Warmbronner Bauerndichters Christian Wagner war, von dessen Gedichten viele auch bei ihm zum ersten Mal erschienen. Lindenberger war auch Vorsitzender des Leonberger Liederkranzes ab 1878. Der war 1840 als ältester Leonberger Verein gegründet worden. Um das Jahr 1900 zog der Verlag aus der Altstadt in die Stuttgarter Straße. Hier war bis 2022 der Sitz der Leonberger Lokalzeitung, bevor sie in die Steinbeisstraße 4 umzog. Als Sigmund Lindenberger 1906 starb, übernahm sein Sohn Hermann die nächsten zehn Jahre bis zu seinem Tod die Geschäfte. Seine Witwe leitete den Verlag bis zum Verkauf im April 1919 weiter.

Der Gebersheimer Rechtsanwalt Jonathan Schmid führte als neuer Eigner das „Leonberger Tagblatt“ Mitte der 20er Jahre auf die Parteilinie der NSDAP. Von 1933 bis 1945 war Schmid Württembergs Innen-, Justiz- und zeitweise Wirtschaftsminister.

Im Juni 1949 kam die erste Ausgabe der „Leonberger Kreiszeitung“

Nach vier Jahren ohne Lokalzeitung im Altkreis Leonberg brachte der Verleger Willy Reichert die erste lizenzfreie süddeutsche Heimatzeitung in Württemberg-Baden am 2. Juni 1949 heraus: die „Leonberger Kreiszeitung“. Sie wie auch die Zeitungen, deren Erbe sie angetreten hat, sind seit fast zwei Jahrhunderten im Stadtgeschehen verankert. Neben harten politischen Debatten im Gemeinderat und ihrer Aufgabe als Chronist des Zeitgeistes prägen vor allem die Menschen hier das Antlitz der Zeitung. Die Leonberger Kreiszeitung ist seit 2003 wirtschaftlich vollständig an die Zeitungsgruppe Stuttgart angebunden.