Der traditionelle Pferdehandel auf dem Marktplatz hat auch nach mehr als drei Jahrhunderten nichts an Faszination verloren. Für die Händler ist es eine gute Gelegenheit, die ersten Kontakte zu potenziellen Kunden zu knüpfen.

Leonberg - Mama, biiiitte!!!“ Die elfjährige Daria redet mit Engelszungen auf ihre Mutter ein, doch die bleibt hart. „Wir haben schon drei Pferde im Stall und die Rockefellers sind wir auch nicht, wenn ein weiteres dazu kommt, müssen wir eines abgeben“, macht die Mutter ihren Standpunkt klar. Davor hatte Daria, die mit zwei gleichaltrigen Freundinnen im Schlepptau aus Filderstadt angereist ist, den Pferdehändler Berthold Nonnenmann weich geklopft, mit dem Preis für das Pony, das es ihr angetan hat, noch runter zu gehen. Der bereitet gerade auf dem Marktplatz seine Pferde vor, um sie den Preisrichtern vorzuführen. „Wenn die Mutter nein sagt, dann ist die Sache gelaufen, da kommt es nicht zum Handschlag, der auch in der heutigen Zeit den Kauf besiegelt“, weiß der Händler aus langjähriger Erfahrung.

 

Kurz vor 10 Uhr treffen auch die Richter auf dem Marktplatz ein. Sie hatten sich davor im Sitzungssaal des Alten Rathauses zur Besprechung getroffen. Gerhard Ziegler, der Präsident des Pferdesportverbandes Baden-Württemberg und Sprecher der Pferdemarktrichter, hat dabei Achim Wanner als Neuling in der Runde und als Gast Michael Krautter aus Weilimdorf begrüßt, der im Dezember die Zuchtrichterprüfung abgelegt hat und nun Erfahrung sammeln will. Wie wird man eigentlich Richter beim Pferdemarkt? „Mein Vater war es schon, ich bin es seit vier Jahrzehnten und meine beiden Söhne sind über den Pferdesport dazu gestoßen“, sagt Ziegler. „Als Vorsitzender des Pferdezuchtvereins Leonberg/Ludwigsburg führt kein Weg am Richteramt vorbei“, meint Wilhelm Gieck. „Als ich vor 29 Jahren begann, gab es noch das Amt des Stadttierarztes, damit war man automatisch dabei“, erinnert sich Hans-Peter Philippin. „Oder man ist Pferdezüchter“, wirft Erwin Hörer aus Markgröningen ein.

Während sich der Großteil der 22 Preisrichter auf den Weg zum Reiterstadion macht, beziehen Hans-Peter Philippin, Helmut Kayser und Eberhard Geiger in der Klosterstraße Stellung. Frieder Breining, Christian Ziegler, Wilhem Gieck und Erwin Hörer walten in der Schloßstraße ihres Amtes. Für die Pferdehändler ist dies das Signal, ihre Tiere vorzuführen. In der Klosterstraße ist Robert Maier aus Riedlingen mit zehn Pferden dran. Für die meisten hat er bereits einen ersten Preis bekommen. „Wir sind zufrieden, deshalb muss man jammern“, scherzt er. Auf die Frage, wie man eigentlich Pferdehändler wird, serviert Maier einen weisen Spruch seines Großvaters: „Pferdehändler werden, ist keine Kunst, wohl aber, einer zu bleiben.“ Dabei spricht der Riedlinger aus eigner Erfahrung, seine Familie ist dem Metier bereits in der vierten Generation zugetan.

„Mein Sohn Marc führt das Geschäft weiter“, sagt der Vater stolz. Eine kaufmännische Ausbildung sei das Mindeste für einen hauptberuflichen Pferdehändler, sagt Maier. Mehr als 500 Tiere gehen im Jahr durch seinen Betrieb, hinzu komme eine eigene Landwirtschaft. „Wir erzeugen unser Futter selbst, denn bis zu 50 Pferde stehen durchschnittlich in den Ställen, vom Freizeit-, Kutsch- oder Arbeitspferd bis hin zu den edlen Sportpferden“, erläutert der Händler.

Im Großen und Ganzen zufrieden ist auch Hans-Peter Philippin. Denn der Leonberger Tierarzt hat auch immer ein wachsames Auge, was die Haltung und den Pflegezustand der vorgeführten Pferde betrifft. „Wenn jemand bei der Pflege sprichwörtlich die Zügel schleifen lässt, dann sprechen wir ihn auch gezielt an“, darin sind sich die Preisrichter einig.

In der Schloßstraße beziehen die Richter Frieder Breining, Christian Ziegler, Wilhelm Gieck und Erwin Hörer das Publikum voll in die Prämierung ein. Hier wird gerade ein riesiges Belgisches Kaltblut vorgeführt und Hörer und der Händler sind sich da nicht ganz einig, was das Alter des Tieres betrifft. „Dann muss der Zahnarzt her“, schlägt Breining vor und spricht damit eine seit Jahrtausenden angewandte Methode an, das Alter der Tiere über Veränderungen an ihrem Gebiss zu bestimmen.

Beim nächsten Pferd, einem Ardenner-Wallach, zeigt sich, dass es noch größer geht. „Der bringt mehr als eine Tonne auf die Waage“, da ist sich Christian Ziegler sicher. Ausgebuht wird ein Zuschauer für seinen Einwurf, den er angesichts des gegenwärtigen europaweiten Pferdefleisch-Skandals vom Stapel lässt: „Daraus kann man aber viel Lasagne machen.“ Für das gewaltige Tier gibt es einen ersten Preis.

„Wenn wir hier einen ersten Preis geben, machen wir nichts falsch“, sind sich die vier Richter beim nächsten Pferd sicher – einem graziösen Warmblut. „Achten Sie bitte auf seine wachsamen Augen und sein Ohrenspiel, das zeigt, wie aufmerksam das Tier auf seine Umgebung reagiert“, erläutert Breining den Zuschauern, die dem schönen Tier reichlich Beifall spenden. Der nächste Vierbeiner ist nicht so richtig bei der Sache. „Bitte um ein bisschen Beifall, damit das Tier aufwacht“, scherzt Gieck.

Insgesamt 122 Pferde haben die Händler gestern den Richtern vorgeführt, maximal 130 sind aus Sicherheitsgründen auf dem historischen Marktplatz zugelassen. Zum ersten Mal wurde auch eine Begrenzung erprobt, die die Zuschauer von den Tieren fern halten soll. Beim Pferdmarkt im vergangenen Jahr wurde ein Kind ins Gesicht gebissen, das einem Pferd zu nahe gekommen war. Heute kaum vorstellbar ist es, dass im Jahr 1837, als Leonberg etwa 2100 Einwohner hatte, in der Stadt am Pferdemarkt etwa 1300 Tiere angeboten wurden.

Kurz nach 11 Uhr ist die Prämierung vorbei und die Händler machen sich auf den Weg ins Foyer des Rathauses. Hier zahlen Kristina Disendorf und Stefanie Blaskow die Preisgelder der Stadt aus. Für den ersten Preis gibt es 20, den zweiten 15 und den dritten zehn Euro. Alles in allem ist es ein ganz normaler Pferdemarktdienstag gewesen – bis gegen 13.15 Uhr in einem Imbiss-Stand eine Gasflasche explodierte.