Drei Erwachsene und ein Baby befinden sich in dem kleinen ­Cabrio, als der Wagen mit 140 Kilometern in der Stunde ins Schleudern gerät. Der Wagen knallt auf der B 295 auf Höhe der Ausfahrt Warmbronn gegen die Leitplanke.

Leonberg - Drei Erwachsene und ein Baby befinden sich in dem kleinen Cabrio, als der Wagen mit 140 Kilometern in der Stunde ins Schleudern gerät. Der Wagen knallt auf der B 295 auf Höhe der Ausfahrt Warmbronn gegen die Leitplanke. Ein 36-Jähriger wird vor den Augen seiner Verlobten und der gemeinsamen Tochter aus dem Auto geschleudert, erleidet schwere Verletzungen und ist sofort tot.

 

Von dem, was sich in dem Cabrio während der Unglücksfahrt abgespielt hat, existieren zwei grundlegend verschiedene Versionen. In einem Szenario ist der Verstorbene selbst gefahren – in der anderen Version hat eine 26 Jahre alte Frau den Wagen in die Leitplanke gesteuert. Sie sitzt nun wegen Gefährdung des Straßenverkehrs auf der Anklagebank.

Am ersten Prozesstag vor dem Leonberger Amtsgericht wurde die Beschuldigte durch Zeugenaussagen teilweise entlastet. „Mein Verlobter war der Fahrer“, sagte die 19 Jahre junge Mutter, die den Unfall mit ihrer Tochter unverletzt überstanden hat, „die Angeklagte war viel zu betrunken. Sie hätte gar nicht mehr fahren können.“ Diese Version der Geschichte wird von den Aufnahmen einer Überwachungskamera untermauert. Am Unfalltag ging um 17.08 Uhr der Notruf bei der Polizei ein. Noch um 17.04 Uhr wurde das Cabrio auf dem Gelände einer naheliegenden Tankstelle gefilmt. Der junge Familienvater, der vier Minuten gestorben ist, war hier noch am Steuer des Wagens zu sehen.

Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage allerdings davon aus, dass in diesen vier Minten ein spontaner Fahrerwechsel stattgefunden haben muss. „Die reine Fahrzeit von der Tankstelle zum Unfallort beträgt zwei Minuten“, sagte ein Polizist am ersten Prozesstag vor rund drei Wochen, „bleiben also noch zwei Minuten, um die Plätze zu tauschen.“

Wer hat am Steuer gesessen?

Das Gericht hatte für den zweiten Prozesstag am vergangenen Donnerstag Sachverständige beauftragt, die Fahrerfrage zu überprüfen. Der technische Gutachter belastete die Angeklagte schwer. „Zuerst habe ich mir die Sicherheitsgurte genau angesehen“, sagte der Unfall-Fachmann. Aus seinen Untersuchungen folgerte der Sachverständige: „Der Fahrer war angeschnallt. Ich bin mir sicher, dass der nicht aus dem Cabrio geschleudert wurde.“

Auch der Insasse auf dem Platz hinter dem Beifahrer war nach Meinung des Experten zum Unfallzeitpunkt angeschnallt. „Nur derjenige, der hinter dem Fahrer saß, war nicht mit einem Gurt gesichert“, erklärte der Gutachter. „Für mich ist klar, dass der Tote hinten links saß.“ Der Sachverständige legt für seine Hypothese weitere Indizien vor: „Hätte es den Fahrer aus dem Wagen geschleudert, wäre dadurch das Lenkrad zerstört oder schwer beschädigt worden“, sagte er, „doch das ist am Unfallwagen noch völlig intakt.“ Die Kollision rekonstruierte der Experte so: „Das Cabrio war mit rund 140 Stundenkilometern unterwegs. Plötzlich wurde der Wagen heftig nach rechts gelenkt.“ Einen Grund für diese Manöver konnte der Experte nicht erkennen. „Spuren eines fremden Fahrzeugs sind nicht zu erkennen.“ Eine Erklärung für das fatale Fahrmanöver könnte der Alkoholpegel des Fahrers liefern. Im Blut des getöteten Familienvaters wurden 1,58 Promille nachgewiesen. Bei der 26-jährigen Angeklagten wurden noch Stunden nach dem Unfall sogar 2,94 Promille festgestellt.

Spontaner Fahrerwechsel nach der Tankstelle?

Ein anders Vorgehen hätte den Unfallfahrer möglicherweise einwandfrei identifizieren können. „Die Frage nach dem Fahrer hat sich nicht von Beginn an gestellt“, sagte der Gutachter, „sonst wären meine Methoden andere gewesen.“ Zwar wurde von der Staatsanwaltschaft nach Wochen eine DNA-Analyse des Airbags angeordnet – doch ohne Ergebnis. „Das überrascht mich nicht“, sagte der Sachverständige, „der offene Wagen wurde ohne Abdeckung transportiert. Da fliegen mögliche Gewebespuren leider einfach so davon.“

Eine besondere Tortur für die Familie des Verstorbenen war der Vortrag des medizinischen Gutachters. Mehr als 20 Minuten dauerte die Beschreibung der Verletzungen inklusive vieler blutiger Details.

Der Mediziner war hauptsächlich geladen worden, um die Schuldfähigkeit der mutmaßlichen Unfallfahrerin zu klären. „Ich habe schon Menschen auf meinem Obduktionstisch gehabt, die sind an geringeren Dosen Alkohol gestorben“, sagte der medizinische Gutachter zu den 2,94 Promille der Angeklagten. „Allerdings sprechen die Aussagen der Zeugen dafür, dass die Beschuldigte nur geringe Ausfallerscheinungen zeigte“, urteilte der Gutachter, „das spricht für eine gewisse Gewöhnung an Alkohol.“

Auf Nachfrage des Verteidigers der jungen Frau präzisierte der Mediziner seine Aussage: „Wer mit über drei Promille Alkohol im Blut noch funktioniert, ist mit großer Sicherheit alkoholkrank.“ Eben weil die junge Frau nach Aussagen vieler Zeugen noch Herrin ihrer Sinne war, kommt für den Mediziner höchstens eine verminderte Schuldfähigkeit in Frage. „Sie war nicht schuldunfähig“, sagte er, „dafür spricht auch, dass sie noch in der Lage war, die Polizisten gezielt zu beleidigen.“

Noch ein weiterer Verhandlungstag ist angesetzt. Das Urteil im Prozess um den tödlichen Vatertagsunfall wird für den kommenden Dienstag erwartet.