Eine 32-Jährige hat Polizeibeamte attackiert und gebissen, sie erhält vom Amtsgericht eine Bewährungsstrafe.

Beim Sommerfest der Weil der Städter Narren kommt es im August 2010 zu einer Schlägerei. Eine psychisch kranke 32-Jährige schleudert einem Besucher dabei ihr Whiskey-Glas ins Gesicht. Das Opfer erleidet tiefe Schnittwunden, die Narben sind bis heute zu sehen. Als sie wenig später festgenommen werden soll, schlägt die Frau um sich, beschimpft die Polizisten und versucht sie zu beißen. Ein Jahr später wehrt sich die Frau erneut heftig gegen eine Festnahme, beißt, schlägt um sich und bewirft einen Polizisten mit einer Taschenlampe. Für diese Taten muss sich die 32-Jährige vor dem Leonberger Amtsgericht verantworten.

 

„Wir waren nach der Schlägerei unterwegs und haben eine Frau entdeckt, auf die unsere Beschreibung passte“, schildert eine Streifenpolizistin den ersten Kontakt mit der Angeklagten. „Zu Beginn konnten wir ruhig mit ihr sprechen“, sagt die Beamtin, „dann ist sie plötzlich ausgerastet, hat meinen Kollegen gekratzt und sich in meinen Ärmel verbissen.“

Laut einem psychiatrischen Gutachten ist die Beschuldigte nur eingeschränkt schuldfähig. Die Lebensgeschichte der 32-Jährigen ist von sexuellen Übergriffen und Gewalt geprägt. „Sie wurde im Alter von etwa sieben Jahren und erneut im Alter von rund elf Jahren mehrfach missbraucht“, heißt es in dem Gutachten, das Richterin Jasmin Steinhart verliest. „von den Eltern wurde sie geschlagen und als Erwachsene vergewaltigt.“ Die Folge ist eine sogenannte posttraumatische Belastungsstörung. Die Frau leidet unter den seelischen Folgen dieser schrecklichen Erlebnisse.

„Wenn sie Alkohol getrunken hat, neigt sie aus diesem Grund zu aggressiven Ausbrüchen“, hieß es. Der Polizist, der bei der ersten Festnahme der Frau verletzt wurde, hatte ursprünglich Schmerzensgeld gefordert. „Als er am ersten Prozesstag von der Vorgeschichte meiner Mandantin erfahren hat, ließ er seine Forderung sofort fallen“, erklärt der Anwalt der Beschuldigten am zweiten Verhandlungstag.

Erinnern kann sich die 32-Jährige auf der Anklagebank an keine ihrer Taten. „Wenn ich jemanden verletzt habe, tut mir das sehr leid“, sagt sie unter Tränen, „doch ich kann mich an nichts erinnern.“ Aufgrund dieser Erinnerungslücken zog sich der Prozess über zwei Tage hin. Noch vor Verhandlungsbeginn hatte der Verteidiger der psychisch Kranken ein Geständnis seiner Mandantin angekündigt. Da dies ausblieb, mussten zusätzliche Zeugen geladen werden.

„Wir wurden wegen einer Ruhestörung zur Wohnung der Angeklagten gerufen“, berichtet ein Polizist der im August vergangenen Jahres bei einer zweiten Festnahme der 32-Jährigen dabei war. „Als wir in die Wohnung kamen, ist die Frau ausgerastet.“ Vier Polizeibeamte waren nötig, um die zierliche Frau in Schach zu halten. „Sie hat meinem Kollegen eine Taschenlampe an den Kopf geworfen, um sich geschlagen, getreten und mich in die Hand gebissen.“

Am ersten Verhandlungstag vor vier Wochen wurde die 32-Jährige noch von einer JVA-Beamtin in den Gerichtssaal geführt. Die Beschuldigte ist mehrfach vorbestraft und hatte gegen ihre Bewährungsauflagen verstoßen – sie hatte nicht mehr auf Post reagiert und daher Termine mit ihrem Bewährungshelfer nicht eingehalten. „Sie war nicht mehr in der Lage, ihren Briefkasten zu leeren“, erklärt eine Mitarbeiterin von Fortis, einem Verein, der Straftätern bei der Integration in die Gesellschaft hilft.

„ Die Angeklagte hat wegen ihrer Krankheit eine richtige Mauer um sich herum errichtet“, sagt die Fortis-Mitarbeiterin über die 32-Jährige, „sie war nicht mehr in der Lage, schlechte Nachrichten zu verarbeiten.“

Mittlerweile hat sich die Angeklagte aus eigenem Antrieb Hilfe gesucht. „Ich bin täglich bei einem Psychologen in Behandlung“, sagt sie vor Gericht, „diesen Weg möchte ich weiter gehen.“ Doch das wäre nur möglich, wenn die 32-Jährige für ihre Taten nicht erneut ins Gefängnis muss, fügt die Mitarbeiterin von Fortis hinzu.

Zehn Monate Freiheitsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen die Polizei, ausgesetzt zur Bewährung, so lautet am Ende das Urteil von Amtsrichterin Steinhart. „Wir wollen Ihnen auf dem Weg, den Sie eingeschlagen haben, keine Steine in den Weg legen“, heißt es in der Urteilsbegründung.