Grüne Klappe auf, Biomüll rein, Klappe zu. Und dann? Dann beginnt eine spannende Geschichte, wie aus Bioabfall Strom und Gas entstehen können. Den Einblick in die Vergärungsanlage lassen sich zahlreiche Bürger nicht entgehen.

Leonberg -

 

Grüne Klappe auf, Biomüll rein, Klappe zu. Und dann? Dann beginnt eine spannende Geschichte, wie aus Bioabfall Strom und Gas entstehen können – wenn die Voraussetzungen dafür da sind. In Leonberg sind sie das: In der Vergärungsanlage sorgt Werksleiter Wolfgang Bagin mit seinen Mitarbeitern dafür, dass aus Müll Energie wird. Und weil das Wie kein Geheimnis ist, hat der Abfallwirtschaftsbetrieb zu einem Informationstag in die Vergärungsanlage eingeladen.

Auch Familie Christian aus Weissach will sich informieren: „Ich hatte schon Kompost vom Häckselhof, und anschließend war der Garten voller Unkraut. Jetzt will ich wissen, ob der Kompost, der hier entsteht, qualitativ hochwertiger ist“, erklärt Fritz Christian. Und dreht sich nach vorn, denn eben begrüßt Landrat Roland Bernhard die Besucher. Beim Landrat am Tisch sitzen auch Wolf Eisenmann, der ehemalige Leiter der Anlage, und der Chef des Abfallwirtschaftsamtes des Enzkreises, Ewald Buck. Von dort werden im Jahr rund 5000 Tonnen Biomüll in Leonberg verarbeitet. „Bei unserem Aufkommen lohnt eine eigene Anlage nicht“, meint er.

Jährlich Strom für 7200 Menschen

Landrat Bernhard freut sich über die Effizienz der Anlage: „Die Vergärungsanlage erzeugt jährlich Strom für rund 7200 Personen. Damit kann in etwa eine Gemeinde in der Größe von Weissach versorgt werden“, verdeutlicht er. Der Strom wird ins Netz eingespeist: Das bringt dem Betriebshof etwa eine Million Euro im Jahr. Zwar arbeitet die Anlage trotzdem nicht kostendeckend, wie Werksleiter Bagin weiß, aber: „Den Müll anderweitig zu entsorgen, käme die Kommune deutlich teurer.“ Besonders stolz ist Bernhard auf die Innovationsbereitschaft, die Betreiber und Mitarbeiter immer wieder unter Beweis stellen. So läuft im Moment ein Versuch mit der jungen Jettinger Firma Smart Carbon, um Biomüll und Gärreste CO2-neutral in hartgepresste Bio- oder Humuskohle umzuwandeln. Die soll als hochwertiges, natürliches Düngemittel verwendet werden.

36 000 Tonnen Biomüll durchlaufen im Jahr den Energiegewinnungsprozess, pro Tonne entstehen 125 bis 140 Kubikmeter Biogas, das in Strom und Wärme umgewandelt wird. Bei der Führung mit Ugur Cakir, im Landratsamt für die Vergärungsanlage zuständig, machen sich 15 Menschen, ausgestattet mit Warnweste, Helm und Audiosystem, auf den Weg zur Anladerampe. Hier entleeren die Müllwagen ihre Fracht, und ja, es stinkt. Zwischen den aufgehäuften Bioabfällen sieht man immer wieder Teile von Plastikmüll. Cakir erklärt: „Das sind Störstoffe, also Stoffe, die nicht in die Biomülltonne gehören, wie Plastikabfall oder Metall.“ Störstoffe sind ein teures Problem. Sie beschädigen die Mechanik in der Anlage und verbleiben als unzerstörbare Partikel im hochwertigen Endprodukt Kompost. „Teilweise sind bis zu 40 Prozent Störstoffe im Bioabfall“, weiß Cakir. Rund 1000 Tonnen davon muss der Betriebshof im Jahr als Restmüll entsorgen, das ist ein ordentlicher Batzen Geld für den Steuerzahler.

„Bevor wir Gegenmaßnahmen ergriffen haben, mussten wir die dreifache Menge an Störstoffen entsorgen“, fährt Cakir fort. In manchen Bezirken haben die Müllmänner schließlich die grünen Tonnen stehen lassen. Dann muss der Inhalt kostenpflichtig als Restmüll entsorgt werden: „Das hat gewirkt“, weiß Cakir. Deshalb werden jetzt auch Mülldetektoren eingesetzt, die Störstoffe in den Biotonnen erkennen.

Weiter geht es zum Querstromzerspaner, wo der Abfall zerkleinert wird, und zur Siebtrommel, in der die Abfälle homogenisiert werden. Der nächste Schritt ist die Mischeinheit. Hier werden die frischen Abfälle im Verhältnis 1:6 mit Gärresten vermischt und in den 25 Meter hohen Gärturm, auch Fermenter genannt, gepumpt. Bei einer Temperatur von 48 bis 55 Grad ist der Gärprozess nach 24 Tagen abgeschlossen. Nach dem Trocknungsprozess werden die Gärreste zur Fertigkompostierung nach Kirchheim oder auf einen Kompostierplatz im Kreis gebracht.

Herrlicher Blick vom 25 Meter hohen Gärturm

Von dem, was im Fermenter passiert, merkt die Gruppe nichts, als sie den 25 Meter hohen Gärturm erklimmt. Es ist ein langer Weg über die eiserne Wendeltreppe, der ordentlich die Wadenmuskeln strapaziert. „Wir sind vielleicht einmal im Monat hier oben“, meint Cakir, denn der Fermenter kommt ohne mechanisch bewegte Teile aus und ist dadurch nicht störanfällig. Eigentlich schade, denn der Blick aus dieser Höhe ist einmalig. Wolf Eisenmann als ehemaliger Leiter des Betriebs kennt den Blick, Landrat Bernhard genießt ihn. Leonberg und Renningen sind sofort identifiziert, Ewald Buck sucht nach Darmsheim.

Während Landrat und Besucher wieder nach unten klettern, ist die zweite Führung in vollem Gange. Bis zum Abend werden deutlich mehr als die 63 angemeldeten Besucher in kleinen Gruppen die Anlage besichtigt haben: „Wir haben zusätzliche Führungen eingeschoben“, freut sich Kerstin Höchst, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des AWB, über das große Interesse der Bürger.

Familie Christian ist jedenfalls zufrieden: „Das Endprodukt wird erhitzt, dadurch werden Unkräuter abgetötet“, haben sie erfahren. „Wir kaufen den nächsten Kompost auf dem Wertstoffhof.“