Nach dem Weckruf des neuen Bundesgesundheitsministers Karls Lauterbach (SPD) muss Deutschland versuchen, zusätzliche Dosen zu beschaffen. Ein Überblick über die drängendsten Fragen und Antworten.

Berlin - Die Nachricht war eine eiskalte Dusche. Am Mittwoch hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seine Kollegen in den Bundesländern und die Öffentlichkeit darüber informiert, dass für das erste Quartal nächsten Jahres zu wenig Impfstoff zur Verfügung steht. Wir beantworten die wichtigsten Frage zur Lage.

 

Was hat Lauterbach zur Liefermenge im neuen Jahr gesagt?

Lauterbachs Warnruf fiel drastisch aus. Die Situation sei „ausgesprochen schwierig“. Es zeichne sich ein „erheblicher Impfstoffmangel im kommenden Jahr“ ab. Für das erste Quartal sei zu wenig Impfstoff gekauft worden, um die Booster-Kampagne in Schwung zu halten. Teilnehmer der Sitzung mit den Ministern berichten, dass in den letzten beiden Wochen 2021 von Biontech nur 1,2 Millionen beziehungsweise 0,8 Millionen Dosen geliefert werden. In der ersten Kalenderwoche 2022 seien es nur 1,2 Millionen Dosen. Die Zahl der Impfstoffdosen gehe auf ein Sechstel im Vergleich zu vorher zurück.

Wie ist der Stand der Boosterkampagne?

Die Nachricht ist aus zwei Gründen beunruhigend. Erstens weil der dritte Piks wichtig ist, um einen ausreichenden Schutz gegen die Omikron-Variante des Coronavirus zu gewährleisten, die sich in Deutschland in den nächsten Monaten vermutlich zügig ausbreiten wird. Und zweitens weil die Boosterkampagne so gut angelaufen ist. 21,5 Millionen Menschen haben bislang eine Auffrischungsimpfung erhalten. Das sind rund 26 Prozent der Gesamtbevölkerung. Allein in den drei Tagen von Montag bis Mittwoch dieser Woche haben sich 1,75 Millionen Menschen die dritte Impfung abgeholt. Bis Jahresende könnten nach vorsichtigen Schätzungen rund 37 Prozent der Gesamtbevölkerung geboostert sein. In absoluten Zahlen werden in Deutschland laut Ministerium mehr Menschen geimpft als irgendwo sonst auf der Welt, einschließlich bevölkerungsreicher Staaten wie China. Das Problem: Das Tempo müsste ungebremst im neuen Jahr gehalten werden, sonst droht Omikron die Erfolge zunichte zu machen. Die Inventur hat aber ergeben, dass in den ersten drei Monaten des neuen Jahres die Zahl der auslieferbaren Impfstoffdosen „unterhalb der jetzt wöchentlich verimpften Mengen liegen wird“, wie das Ministerium mitteilte. In den Ländern löste das Betroffenheit aus: „Wir setzen uns mit Hochdruck dafür ein, ausreichend Impfstoff vom Bund zu erhalten“, sagte ein Sprecher des Sozialministeriums in Baden-Württemberg. „Damit steht und fällt der Erfolg unserer Impfkampagne.“

Was sagt Biontech?

Der Hersteller weist darauf hin, dass er bereits im Dezember Lieferungen vorgezogen und insgesamt 14 Millionen Dosen an Deutschland ausgeliefert habe. Für Deutschland sei „nach aktuellem Stand in den Monaten Januar bis Juni 2022 eine Lieferung von zwölf Millionen Dosen pro Monat vorgesehen, die sich auf Impfstoffdosen für Erwachsene und Kinder verteilt“. Die genaue Aufteilung nach Kalenderwochen ist noch offen.

Was kann Lauterbach tun?

Der Minister mit allen Herstellern über das Vorziehen von Lieferungen sprechen, und er wird weitere Ressourcen prüfen: Lassen sich nicht genutzte ausgelieferte Dosen besser verteilen? Vor allem muss das Gespräch mit EU-Staaten gesucht werden, die ihre Kapazitäten nicht ausschöpfen. Auf dem Weg kamen in der 49. Kalenderwoche drei Millionen Biontech-Dosen von Polen nach Deutschland, plus acht Millionen von Moderna. Dieser Prozess dürfte weitergehen. Sicher wird auch geprüft, ob Spenden an Drittstaaten reduziert werden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bemühte sich am Mittwoch um eine Beruhigung der Lage: Europa könne über 300 Millionen Dosen pro Monat produzieren. Man werde „jeden Monat genug Impfstoff haben“. Die Verträge würden sicherstellen, an neue Varianten angepassten Impfstoff zu erhalten. Der könne im März oder April zur Verfügung stehen.