Mario Vargas Llosa, der politisch engagierte Autor aus Peru, erhält den Nobelpreis für Literatur.

Stuttgart - Man kann, man muss sich an ihm reiben. Wenn dieser schon von der Statur her beeindruckende Mann mit dem nie ganz gebändigten, weil für eine Scheitelfrisur einfach zu langen Haar im Madrider Lateinamerika-Haus gegen Fidel Castro wetterte, ließ er verstörte Zuhörer zurück. Nicht, dass man ihm in der Sache widersprechen wollte. Aber wäre es nicht Sache eines Schriftstellers, an dem einst voller Idealismus gegen die Batista-Diktatur aufbegehrenden Revolutionär irgendetwas auch nur halbwegs Gutes zu entdecken? Sitzt ein Schriftsteller nicht am allerbesten zwischen den Stühlen, lässt sich von niemandem vereinnahmen und schon gar nicht von den in Miami zum kapitalistischen Feldzug rüstenden Exilkubanern?

Aber Mario Vargas Llosa, seit Donnerstag Literaturnobelpreisträger, ist kein Mann des ewigen Einerseits-Andererseits. Er hat sich entschieden. Er engagiert sich. Für die Freiheit zumal, auch die des Wirtschaftens, sowie für diejenigen, die sich mit Unfreiheit nicht abfinden wollen, die gegen Götter und Gewaltherrscher, Dogmen und Ideologien aufbegehren. Der Peruaner verklärt nichts, er liebt es klar.

Abrechnung mit den Diktatoren


Die Erfahrung vieler Lateinamerikaner, dass, was ausweglos erscheint, am Schluss stets doch irgendwie geht, dass sich im Chaos allemal ein Schlupfloch findet: den Kolumbianer Garcia Márquez mag sie zu fantastischen Geschichten inspirieren, die sich zu einer Welt des magischen Realismus verdichten. Vargas Llosa vermag darin nichts Magisches zu entdecken. Er sieht vor allem Chaos. Aber er ist ein begnadeter Beobachter. Und er kann beschreiben, was er sieht, die Menschen zumal. So facettenreich kann er sie schildern, so farbig erzählen, dass seine Werke nicht minder in Bann ziehen, nicht weniger Magie entfalten als die abenteuerlichste Fiktion.

Vargas Llosa zerstört Mythen, begräbt Hoffnungen, rechnet ab. Mit Gewaltherrschern, Diktatoren, Patriarchen zumal, wie sie Lateinamerika im Überfluss hervorgebracht hat. Er will aufräumen mit dem Erbe der Inka- und Aztekengötter, der spanischen Könige und lateinamerikanischen Vizekönige, das Unselbstständigkeit hervorbringt, Rückständigkeit. Die vielleicht gnadenloseste Abrechnung hat er im "Fest des Ziegenbocks" präsentiert. Der Caudillo Trujillo spielt darin die Hauptrolle, der in der 1961 nach ihm benannten Hauptstadt der dominikanischen Republik drei Millionen Menschen tyrannisiert, belohnt und bestraft, der Günstlinge fördert oder auch fallen lässt und das Spiel mit der Macht auskostet bis zum letzten Atemzug.