Nach einer denkwürdigen Mitgliederversammlung ist beim TC Ludwigsburg, einem der erfolgreichsten Tanzvereine der Welt, nichts mehr wie zuvor. Wegen eines Eklats bei den Vorstandswahlen tritt nicht nur die Präsidentin zurück. Manche Mitglieder fürchten gar um die Existenz des Clubs.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Auf der Internetseite des 1. Tanzclubs Ludwigsburg (TCL) ist die Welt noch in Ordnung. Oben prangt eine Werbung für ein Vereinsfest, daneben stehen die Trainingszeiten, und als wäre nichts passiert: ein Foto der gut gelaunten Präsidentin Gaby Wulff. Offenbar hat niemand daran gedacht, die Seite zu aktualisieren, denn seit Ende der vergangenen Woche ist beim TCL vieles anders. Nach einer turbulenten Mitgliederversammlung sieht Horst Fröscher, der Ehrenpräsident, gar die Existenz des Clubs bedroht. „Der Schaden ist noch nicht absehbar“, sagt er.

 

„Das war eine Palastrevolte“

Das ist passiert: Der TCL, der weltweit erfolgreichste Verein im Formationstanzen, hat fast tausend Mitglieder. 180 davon erschienen zur jüngsten Mitgliederversammlung. „Es sah alles nach einer Routineveranstaltung aus“, sagt Wulff im Rückblick. Doch als es darum ging, den Vorstand zu entlasten, hagelte es Gegenstimmen – das erste Anzeichen, das etwas komisch läuft. Zum ersten Eklat kam es bei der Wahl des Vizepräsidenten. Amtsinhaber Norman Beck, der als Trainer einen hervorragenden Ruf im Club genießt, ging davon aus, dass er sich ohne Konkurrenz zur Wiederwahl stellt. Bis der langjährige Sportwart Sven Gehring seinen Hut in den Ring warf – und gewann. „Gehring, Beck und ich – wir waren doch immer eine Riege“, sagt Wulff. „Ich verstehe nicht, warum uns Herr Gehring so in den Rücken fällt.“

Vollends chaotisch wurde es nach der Besetzung des Schatzmeister-Postens. Weil der Amtsinhaber nicht mehr antrat, hatte Wulff nach langer Suche einen Wunschkandidaten platziert. Der aber verlor die Wahl ebenfalls, und zwar wieder gegen einen Überraschungskandidaten. „Das war eine Palastrevolte“, sagt Fröscher. Auch Wulff vermutet, eine vereinsinterne Opposition habe alle Kritiker zu der Versammlung getrommelt und sich so kurzzeitig die Mehrheit gesichert.

Die Präsidentin tritt nach dem Eklat sofort zurück

Die Folgen waren drastisch. Wulff, die gerade erst in ihrem Amt bestätigt worden war, trat sofort zurück. „Ich kann nicht mit einem Vize zusammenarbeiten, dem ich nicht vertrauen kann“, sagt sie. „Und ich kann auch nicht mit einem Schatzmeister zusammenarbeiten, den ich zuvor noch nie gesehen habe, der kam ja wie Kai aus der Kiste.“ Bei einem derart großen Verein mit einem Wirtschaftswert von 600 000 Euro sei dieses Amt von enormer Bedeutung. „Das kann nicht irgendjemand machen. Das ist ein Risiko.“ Der Vorstand habe hart dafür gekämpft, dass der Club finanziell auf gesunden Beinen stehe. „Ich weiß nicht, wie das jetzt weiter gehen soll.“

Vorwürfe, Anschuldigungen – erst nachts um halb eins war die Versammlung beendet. Auch die Jugendwartin Dagmar Beck legte spontan ihr Amt nieder, der gesamte Jugendausschuss trat geschlossen zurück. Fröscher befürchtet, dass nun eine Austrittswelle auf den Club zukommt. „Ich appelliere an die neue Führung, den Verein nicht kaputt zu machen.“

Der Appell richtet sich vor allem an Sven Gehring, den neuen Vize, der jedoch eine völlig andere Version der Geschichte erzählt. Er habe Wulff und Beck schon Tage vorher informiert, dass er kandidieren werde, sagt Gehring. Denn er habe gespürt, dass es unter den Mitgliedern eine „gewisse Unzufriedenheit mit der Außendarstellung des Vereins“ gebe. Wahrgenommen würden meist nur die Leistungssportler. „Die Breitensportler fühlen sich vernachlässigt, viele sind frustriert.“ Seine Intention sei gewesen, Verantwortung zu übernehmen und eine Brücke zu schlagen, den Ausgleich zu suchen. „Dass das so einen Erdrutsch auslöst, hatte ich nicht erwartet. Den Rücktritt von Frau Wulff habe ich nicht gewollt.“

Allerdings spart auch Gehring nicht mit Kritik. Die bisherige Führung habe versäumt, sich ausreichend um die Hobbytänzer zu kümmern. Dies sei der Grund, warum die Mitgliederzahl von fast 1100 auf 940 zurückgegangen sei.

Der neue Vize will nun Ruhe in den Verein bringen

Wulff weist dies zurück – und nicht nur das. Sie sagt auch, Gehring habe ihr noch kurz vor der Versammlung versichert, dass er nicht als Vize kandidieren werde. Damit ist klar: einer lügt. Außerdem vermutet Wulff, dass ein Mitglied der Breitensportabteilung „aus persönlichen Gründen andere aufgehetzt“ und so die Revolte angezettelt habe. „Ich weiß, dass die Mehrheit im Verein auf unserer Seite steht.“ Sie habe nach der Versammlung einige Mitglieder mit Tränen in den Augen gesehen.

Sven Gehring schlägt jetzt versöhnliche Töne an. Er werde das Gespräch mit Gaby Wulff suchen, kündigt er an. „Schließlich haben wir lange sehr gut zusammengearbeitet. Ich habe kein Interesse an einer Schlammschlacht und nichts mit einer Intrige zu tun.“ Wenn man auf einen gemeinsamen Nenner komme, halte er auch eine Rückkehr von Gaby Wulff ins Präsidentenamt für möglich.

Vermutlich wird im Herbst eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen, um die vakante Stelle zu besetzen. Auch Gaby Wulff will einen Rücktritt vom Rücktritt nicht völlig ausschließen. „Aber momentan kann ich mir das nur schwer vorstellen.“ Sie habe immer gedacht, der TCL sei ein Verein mit Niveau, mit Stil. „Davon war bei der Versammlung nichts mehr zu spüren. Mir blutet das Herz.“