Die Kelten der Stadt bei Herbertingen sind wohl sehr viel höher entwickelt gewesen, als bisher angenommen. Dank der jüngsten Entdeckungen im Fürstinnengrab muss die Geschichte der frühen Bewohner des Donautals umgeschrieben werden.

Ludwigsburg – Die Heuneburg könnte das sagenumwobene Pyrene sein. Der antike Historienschreiber Herodot hat es als einzige große Stadt in der Nähe der Donauquellen beschrieben, und immer mehr deute darauf hin, dass damit nur die große Keltensiedlung gemeint sein kann, glaubt der Landesarchäologe Dirk Krauße. Jüngste Entdeckungen bei der Analyse und Restaurierung des so genannten Fürstinnengrabs von Herbertingen stützten diese Behauptung. Das Grab biete den Forschern viele Überraschungen – gebe aber auch ebenso viele neue Rätsel auf, sagte Krauße bei einer Präsentation in der Arbeitsstelle des Landesamts für Denkmalpflege im Ludwigsburger Stadtteil Grünbühl.

 

Gold, Bronze und Bernstein

Vor drei Jahren war das Grab als 80 Tonnen schwerer Block nach seiner sensationellen Komplettbergung und einem nicht minder spektakulären Transport in den Ludwigsburger Südosten gekommen. Seither wird er Staubkorn für Staubkorn bearbeitet und immer wieder per Computertomografie durchleuchtet. Und noch immer hält die Begeisterung der Wissenschaftler an. Hätte man das Grab vor Ort freigelegt, wären die überraschendsten Funde wohl zerstört worden, glaubt die Diplom-Restauratorin Nicole Ebinger-Rist. So aber haben die Experten die 2600 Jahre alten Knochen-, Holz-, Metall- und Textilfunde mit einem Scanner elektronisch abgetastet und sich virtuell bereits Eindrücke verschafft, bevor sie sich an die Freilegung machten.

Zu den bereits in der großen Keltenausstellung in Stuttgart gezeigten Goldkugeln sind weitere kleinere Schmuckfunde hinzugekommen: Insgesamt wurden 42 Goldkugeln und etwa 100 Bernsteinteile geborgen. Dazu kommen Fibeln, Ohrringe und Ringe – ebenfalls aus Gold oder Bronze. Das allein zeige schon, dass die Bewohner der Heuneburg „überregional vernetzt gewesen waren“, meint Krauße. Die Damen trugen eine Mode, die gerade erst aufkam. Und zwar im entfernten Italien oder in der Levante. Für noch viel aufschlussreicher hält der Landesarchäologe die Entdeckung eines bronzenen Stirnpanzers für ein Pferd. So etwas sei in Zentraleuropa erst 100 Jahre später verbürgt. „Momentan gibt es dafür überhaupt keine Parallelen“, sagt Krauße. „Wir wissen nicht, ob es sich um ein Wagengrab handelt oder um Reittiere.“

Ein Schlüsselfund für die Wissenschaft

Dass die beiden Frauen – über die zweite wissen die Forscher bisher noch wenig – mit so wertvollen Gaben beigesetzt worden sind, gilt ihm als Beleg dafür, dass sich die keltische Gesellschaft bereits um 600 vor Christus in Richtung Aristokratie entwickelt hat. Die gängige Theorie, wonach sie noch von Dorfältesten regiert worden seien, werde immer unglaubwürdiger. „Das Prunkgrab wird damit auch zu einem Schlüsselfund für die Erforschung der Gesellschaftsstrukturen“, sagt Krauße. Die Untersuchung des Holzes habe ergeben, dass der jüngste Baum noch bis 583 vor Christus gestanden hat. Die Experten folgern daraus, dass die Beisetzung im folgenden Jahrzehnt, als zwischen 583 und 573 stattgefunden haben muss.

Für die Archäologen und Frühgeschichtler ist es der wichtigste Fund in Baden-Württemberg seit 35 Jahren. Nach Ansicht des Stuttgarter Regierungspräsidenten Johannes Schmalzl ist er jedoch weit über das Land hinaus bedeutend.

Der Schaut im Keltenblock

Entdeckung
Nachdem die Archäologen das in einer Entfernung von 2,4 Kilometer zur Heuneburg gelegene Fürstinnengrab entdeckt hatten, wurde beschlossen, es en bloc zu bergen. Experten schnitten einen Klotz von 7,5 Meter auf 5,60 Meter aus. Unter dieser so verschalten Grabkammer wurden Rohre in die Erde getrieben und das Ganze dann per Hydraulik angehoben. Am 28. Dezember 2010 wurde der 80-Tonnen-Block auf einen Schwertransporter verladen und nach Grünbühl gebracht.

Ausstellung
In der zum Jahreswechsel 2012/13 gezeigten Stuttgarter Kelten-Ausstellung waren bereits einige Goldkugeln aus dem Prunkgrab zu sehen. Für 2014 ist eine weitere Schau geplant.

Forschung
Die Experten kennen 60 000 archäologische Fundstellen in Baden-Württemberg. Sie gehen aber von etwa 300 000 Stellen aus, für die es bisher noch keine Hinweise gibt.