Sie zählen zu den Künstlerpersönlichkeiten unserer Zeit: der Violinist Daniel Hope und der Dirigent Thomas Hengelbrock sollen künftig die Schlossfestspiele führen. Ist das eine kluge Wahl?

Kultur: Tim Schleider (schl)

Ludwigsburg - Internationale Festspiele Baden-Württemberg: so nennen sich die Ludwigsburger Schlossfestspiele seit Jahr und Tag im Untertitel. Sofern hier kulturpolitisch Alleinstellungsmerkmale markiert werden sollen, muss man allerdings hinzufügen: davon ist das Festival weit entfernt. Und die jüngsten Personalentscheidungen in Ludwigsburg – der in seinem Charakter als Rauswurf kaum verhohlene Abschied vom jetzigen Intendanten Thomas Wördehoff und die völlig übereilte Festlegung des Festspiel-Aufsichtsrates auf die beiden Nachfolger Daniel Hope und Thomas Hengelbrock – können an diesem Umstand nur schwer etwas ändern.

 

Das zentrale Landesfestival Baden-Württembergs waren die Schlossfestspiele schon 2004 längst nicht mehr, obwohl der damals scheidende Intendant Wolfgang Gönnenwein bis zum Schluss nicht müde wurde, dies zu behaupten, und viele seiner Männerfreunde in Politik und Wirtschaft ihm gern glaubten.

Erstaunliche Provinzialität

Das frühsommerliche Programm in der württembergischen Residenzstadt ist zunächst einmal nicht mehr und nicht weniger als ein verdichtetes Angebot für das neugierige, aber auch anspruchsvolle Publikum der Kulturregion Stuttgart – mit Künstlern, die hier ohnehin verwurzelt sind oder die bei ihren Tourneen kreuz und quer durch die Kulturwelt sehr gern immer wieder auch bei den Ludwigsburger Festspielen Station machen.

Wenn, und das war der kulturpolitische Konsens im Sommer 2004, die Festspiele ausgehend davon tatsächlich wieder so etwas wie überregionalen Glanz entwickeln sollen, dann geht das nur mit neuem, inhaltlichem Profil. Also berief man als Intendanten Dramaturgen – 2005 Wulf Konold, 2010 Thomas Wördehoff. Und während Konold in seiner Profilsuche seltsam indifferent blieb, fand und formulierte Wördehoff tatsächlich eine neue, einleuchtende und schlüssige Linie: wirklich exklusive Künstlerbegegnungen, das Bekannte im ungewohnten Kontext, musikalischer Crossover, Kooperation mit den anderen Kultureinrichtungen am Ort; kurz: das „Fest der Interpreten“.

Dass einigen Kommunalpolitikern in Ludwigsburg die damit verbundene Aufbauarbeit nicht schnell genug ging, dass sie vor allem mit den nur allmählich steigenden Besucherzahlen bei den Schlossfestspielen unzufrieden waren, das ist in gewisser Weise ihr Recht. Dass sie aber glauben, mit der nun avisierten Promi-Lösung Daniel Hope und Thomas Hengelbrock die große Wende herbeizaubern, ja erzwingen zu können, zeugt von erstaunlicher Provinzialität. Denn jene Kulturpolitik, die glaubt, mit dem Glanz großer Namen wie von Zauberhand all ihre Probleme lösen zu können, hat inzwischen nun wirklich einen gehörigen Bart. (Womöglich plant man in Ludwigsburg auch schon ein Musicaltheater?)

Ganz große Kunst

Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Der Dirigent Thomas Hengelbrock und der Violinist Daniel Hope, mit denen der Festspiel-Aufsichtsrat nun in „ernsthaften Gesprächen“, wie es heißt, einen Vertrag „anstrebt“ (was ja wohl heißt, von einem tragfähigen, gar gemeinsamen Konzept der beiden kann noch keine Rede sein), zählen zu den Künstlerpersönlichkeiten unserer Zeit. Ihre Musik ist ganz große Kunst. Und gerade deswegen zählen sie zu den Vielbeschäftigten unserer Zeit, auf allen Bühnen dieser Welt.

Thomas Hengelbrock ist schon jetzt Chef des Balthasar-Neumann-Orchesters und des NDR-Sinfonieorchesters, der Musiker Daniel Hope künstlerischer Direktor der Musikfestspiele in Mecklenburg-Vorpommern und noch tausenderlei mehr. Man wundert sich nicht, wenn es vorsorglich schon mal heißt, weder der eine noch der andere sehe in Ludwigsburg sein neues Domizil. Aber die beiden werden dort zukünftig sicher noch lieber mit ihren Orchestern und ihren Programmen Station machen.

So richtig preiswert kann das nicht sein

Irgendwie wirken die Ludwigsburger Beschlüsse, als hätten die Verantwortlichen dort die letzte „Klassik Echo“-Gala im ZDF gesehen und zum Schluss gedacht, so schön solle es auch in Ludwigsburg mal sein. Es ist unvermeidlich, dass hinter den Namen Hengelbrock und Hope noch ein ganz anderer, bisher ungenannter Name steckt – der eines starken und vor allem inhaltlich aktiven Geschäftsführers, der von 2015 an tatsächlich die Verantwortung in Ludwigsburg tragen und am inhaltlichen Profil arbeiten wird.

So richtig preiswert kann das alles nicht sein. Und man wird sehen, ob dieses Konstrukt die Schlossfestspiele wirklich voranbringt. Bis dahin darf man sich zumindest noch auf zwei Spielzeiten von Thomas Wördehoff freuen: sehr international, sehr inspirierend zudem, und das mitten in Baden-Württemberg.