Der Tag beginnt für Lutz Siebrecht morgens um drei Uhr. Bevor der neue Sportliche Leiter der Stuttgarter Kickers seiner Leidenschaft Fußball nachgeht, erledigt er seine Arbeit auf dem Großmarkt. Wir stellen den gebürtigen Geislinger vor.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart - „Du gründest eine WG. Mit wem würdest Du zusammen wohnen wollen?“ So lautete die Frage in einem Steckbrief an Andreas Strehle, dem ehemaligen Mitspieler von Lutz Siebrecht beim SC Geislingen. Die Antwort lautete: „Mit Lutz Siebrecht, dann kann ich 24 Stunden über Fußball reden.“ Ein Satz, ein Treffer: Denn Lutz Siebrecht ist ein im positiven Sinne Fußballverrückter. Für den neuen Sportlichen Leiter des Oberligisten Stuttgarter Kickers ist Fußball Herz und Leidenschaft. „Fußball empfinde ich nicht als Arbeit, er bereitet mir Freude“, sagt der 51-Jährige. Beim Treffen in der Göppinger Innenstadt – auf dem Heimweg von seinen beiden Arbeitsplätzen in Stuttgart zu seinem Wohnort Bad Überkingen – blickt er nicht einmal auf die Uhr. Siebrecht nimmt sich viel Zeit, gibt bereitwillig Auskunft. Er redet überlegt, unerschrocken, offen. Klartext ist sein Markenzeichen. Schließlich geht es um Fußball. Um die Stuttgarter Kickers. „Die Aufgabe bei den Blauen ist intensiv und macht riesig Spaß“, sagt er und nippt an einem Espresso.

 

Eigene Firma auf dem Großmarkt

Siebrecht wirkt frisch und munter. Dabei hat er bereits einen langen Tag hinter sich. Sein Arbeitspensum beginnt sehr früh am Morgen. Um drei Uhr steht er auf, wenig später sitzt er im Auto und fährt die kapp 60 Kilometer nach Stuttgart auf den Großmarkt. Dort besitzt er gemeinsam mit seinem Geschäftspartner eine eigene Firma mit 15 Mitarbeitern, die zahlreiche Geschäfte mit Obst und Gemüse beliefern. Im Sommer sei es etwas ruhiger als im Winterhalbjahr, erklärt Siebrecht. Am Vormittag geht’s jedenfalls hoch nach Degerloch. „Ich kann mir mein Geschäft gut einteilen und bin vollumfänglich für die Stuttgarter Kickers da“, stellt er klar.

Lesen Sie hier: Interview mit Trainer Ramon Gehrmann

Start im Raketentempo

Siebrecht hat schon einiges auf den Weg gebracht bei den Stuttgarter Kickers seit seinem Einstieg am 17. Juni. Der Nachfolger von Martin Braun legte im Raketentempo los. Die Verpflichtung von Trainer Ramon Gehrmann (44) war die erste Amtshandlung. Danach brachte er neun externe Neuzugänge unter Dach und Fach. Und noch ist die Kaderplanung nicht abgeschlossen. Egal wer noch kommt, die Spieler müssen zur Philosophie des Vereins passen. Wie er diese skizziert? „Laufintensiv, dynamisch, offensiv. Wir wollen aktiv sein, hoch verteidigen, spielerische Lösungen finden, dem Spiel unseren Stempel aufdrücken und immer mit Herz und Leidenschaft am Ball sein.“

Geprägt von Helmut-Groß-Philosophie

Siebrecht lebt Begeisterung und Akribie gleichermaßen vor. Geprägt hat ihn die Zeit bei seinem Heimatclub SC Geislingen. Der Traditionsverein aus dem Eybacher Tal wiederum profitierte von den innovativen Impulsen des Fußball-Vordenkers Helmut Groß. „Dieses strukturierte, fokussierte und zielgerichtete Arbeiten habe ich in dieser Zeit verinnerlicht“, sagt Siebrecht. Er spielte für den Sportclub in der Verbands- und Oberliga, wechselte dann als Profi zum SV Waldhof Mannheim (zwei Jahre Bundesliga, ein Jahr zweite Liga), danach zum SV Sandhausen. Mit 23 Jahren musste der technisch versierte, auf dem Spielfeld oft hitzige Mittelfeldstratege wegen einer schweren Verletzung an der Patellasehne seine Profikarriere beenden. Später spielte er noch mal für den SC Geislingen, darunter auch drei Jahre unter dem späteren Bundesliga-Trainer Markus Gisdol, seinem Freund und heutigen Nachbar in Bad Überkingen. Mit 38 Jahren beendete Siebrecht endgültig seine aktive Karriere.

Lesen Sie hier: Interview mit Helmut Groß

Aufbauarbeit beim SSV Ulm 1846

Er bleibt seinem Verein treu. Siebrecht wird Sportlicher Leiter beim SC, hilft auch als Interimstrainer aus. 2015 lockt ihn der SSV Ulm 1846 an die Donau. Dort verpasst er dem Club nach drei Insolvenzen einen neuen Anstrich, schafft Vertrauen, verändert Strukturen und führt den SSV Schritt für Schritt wieder an den Profifußball heran. 2016 gelingt der Aufstieg in die Regionalliga, mit dem WFV-Pokal-Sieg und der damit verbundenen DFB-Pokal-Teilnahme verabschiedet sich Siebrecht von den Spatzen, gemeinsam übrigens mit Tobias Flitsch. Der wird Trainer bei den Stuttgarter Kickers. Siebrecht legt eine Pause ein. Zur Freude seiner Frau und den drei Kindern im Alter von 27, 24 und 16 Jahren. „Ich hatte alles gegeben, wollte pausieren, um für eine neue Herausforderung Kraft zu tanken“, sagt Siebrecht.

Favorit VfB II

Die hat er nun bei den Kickers gefunden. „Ein sehr sympathischer Verein, den ich schon seit frühester Kindheit verfolge, mit einer unglaublich treuen Fan-Basis und hervorragenden infrastrukturellen Voraussetzungen“, findet Siebrecht. Jetzt soll das alles Entscheidende hinzukommen: Der sportliche Erfolg. Mit der exakten Formulierung des Saisonziels will er noch warten bis der Kader endgültig feststeht. Doch für den 1,92-m-Mann ist klar, dass die Favoritenrolle beim Stadtrivalen VfB Stuttgart II liegt. „Daneben gibt es noch einige gewachsene Oberligamannschaften, die vorne dabei sein wollen“.

Vorfreude auf Start am 3. August

Siebrecht sagt dies und die Vorfreude auf den Oberliga-Saisonstart am 3. August (14 Uhr) beim FV Ravensburg ist dabei deutlich zu spüren. Auf die Uhr blickt er auch am Ende des eine Stunde und 45 Minuten dauernden Gesprächs nicht. Feierabend gibt es für einen Mann, der 24 Stunden Fußball am Tag lebt, ja nun mal ohnehin nicht.

Wir zeigen die Sportlichen Leiter vor Lutz Siebrecht. Klicken Sie sich durch unserer Bildergalerie!

Der bisherige Kader 2019/20

Tor: Thomas Bromma, Pator Gashi,Tobias Trautner

Abwehr: Malte Moos, David Kammerbauer, Patrick Auracher, Tobias Feisthammel, Daniel Niedermann, Marvin Jäger, Johannes Ludmann, Panagiotis Karastergios

Mittelfeld: Marvin Weiss, Leon Braun, Lukas Kling, Valentino Stepcic, Michael Klauß, Nico Blank, Florijan Ahmeti, Berkant Cetinkaya, Ermin Kilic, Kelecti Nkem, Tim Wöhrle

Sturm: Mijo Tunjic, Shkemb Miftari, Leander Voachatzer, Noah Lulic, Cristian Giles Sanchez

Zugänge

Thomas Bromma (SGV Freiberg), Malte Moos (Wormatia Worms), David Kammerbauer (SSV Ulm 1846), Marvin Weiss (FV Illertissen), Leon Braun (SGV Freiberg), Plator Gashi, Kelecti Nkem, Berkant Cetinkaya, Erman Kilic (alle eigene U19), Tim Wöhrle (1899 Hoffenheim II), Noah Lulic (SKV Rutesheim), Cristian Giles Sanchez (SSV Reutlingen), Tobias Trautner (SF Lotte)

Abgänge

Ramon Castellucci (1. FC Saarbrücken), Manuel Schneck, Robin Hermann, Sebastian Schaller, Abdenour Amachaibou, Pedro Astray, As Ibrahima Diakité, Ilias Soultani (alle Ziel unbekannt), Josip Landeka (Karriereende), Lhadji Badiane (Stade Laval/Frankreich)

Vorbereitungsplan

Trainingslager im Nationalpark-Hotel Schliffkopf in Baiersbronn (18. bis 21. Juli)

Kehler FV – Stuttgarter Kickers (20. Juli, 16 Uhr), Sportgelände in Oberhamersbach

VfL Sindelfingen – Stuttgarter Kickers (27. Juli, 14 Uhr), Floschenstadion in Sindelfingen

WFV-Pokal, erste Runde

TSV Essingen – Stuttgarter Kickers (7. August, 17.30 Uhr)

Oberliga-Auftaktprogramm

FV Ravensburg – Kickers (3. August, 14 Uhr)

Kickers – Freiburger FC (10. August , 14 Uhr)

FSV 08 Bissingen – Kickers (17. August , 14 Uhr)

Kickers – SV Sandhausen II (23. August, 19 Uhr)

1.CfR Pforzheim - Stuttgarter Kickers (31. August, 14 Uhr)

Kickers – 1. Göppinger Sportverein (7. September, 14 Uhr)

Kickers – Sportfreunde Dorfmerkingen (14. September, 14 Uhr)