Die Karlsruher Keramikmanufaktur Majolika ist in Deutschland einzigartig. Nach Krisen und Rettungen soll jedoch zum Jahresende Schluss sein mit der Produktion - zumindest vorläufig.

Karlsruhe - Im 114. Jahr ihres Bestehens hat die Keramikmanufaktur Majolika jetzt bekannt gegeben, dass sie zum Jahresende die Produktion einstellen wird. Dieser Entscheidung war ein gemeinsamer Beschluss des Aufsichts- und des Stiftungsrats vorausgegangen. Das wäre das Ende einer der traditionsreichen handwerklichen Manufakturen im Südwesten. In Karlsruhe kriselte es in den vergangenen 20 Jahren immer wieder.

 

Gegründet wurde die keramische Anstalt 1901 als „Großherzogliche Majolika-Manufaktur“ unter dem badischen Großherzog Friedrich, lange war die Einrichtung in Landesbesitz. Blütezeiten mit bis zu 200 Mitarbeitern erlebte die Manufaktur zwischen den Kriegen und in der Zeit des Wirtschaftswunders. 1999 ging die Majolika in Besitz der Landesbank (LBBW) über, 2010 übernahm eine Stiftung die Geschäfte. „Alle nennenswerten Künstler der Keramikkunst des vergangenen Jahrhunderts haben auch in Karlsruhe gearbeitet“, sagt Klaus Lindemann, der seit 2011 dem Stiftungsrat vorsteht. „Die Manufaktur hat ein Drittel der Kulturgeschichte der Stadt Karlsruhe mitgeschrieben“, sagt er. Nun sei man gezwungen, eine kreative Denkpause einzulegen. Der Majolika fehlen dringend notwendige Großaufträge. Vom Verkauf von Gefäßen und Gebrauchswaren kann der Betrieb mit 20 Mitarbeitern offenbar nicht überleben.

Die Sanierungskosten werden auf über eine Million Euro geschätzt

Vordergründig wird der Zustand der Gebäude als Begründung für den Stopp der Produktion angeführt. Zwei der vier Kamine der Brandöfen sind offenbar akut einsturzgefährdet. Teile des Areals wurden deshalb erst vor einigen Tagen abgesperrt. Die Gebäude samt Produktionsstätten und Verkaufsräumen gehören seit dem Ausstieg der Landesbank den Stadtwerken Karlsruhe. Ein vom Badischen Landesmuseum geleitetes Museums zur Majolika-Geschichte gehört dem Land. Derzeit arbeitet die Stadt an einer Machbarkeitsstudie für die Hauptgebäude, das Ergebnis soll im Herbst vorliegen: die Sanierungskosten werden auf weit über eine Million Euro geschätzt. Der Karlsruher Kulturbürgermeister Wolfram Jäger sagt, dass ein Ende des Betriebs in der bestehenden Form „unabwendbar“ sei.

Die renommierten Werkstätten hatten schon illustre Künstler für Gastaufträge gewinnen könne: von Markus Lüpertz bis hin zu Stardesigner Luigi Colani. Aus einstigen Blütezeiten stammten Aufträge für die „Villa Hügel“ der Krupp-Unternehmerdynastie in Essen oder die Foyergestaltung im Kieler Rathaus. „Die Kunst am Bau hat die Majolika immer am Leben gehalten“, sagt Klaus Lindemann, der Seniorchef eines Karlsruher Verlags. Für 2016 und die Folgejahre fehlen solche Großaufträge. Zwar haben die Künstler der Majolika das Dampfbad im örtlichen Vierordtbad neu gestalten können – die Bemühungen des Stiftungsrats um eine Ausstattung der neuen U-Bahn-Haltepunkte blieben aber erfolglos.

Die internationale Konkurrenz macht den Karlsruhern zu schaffen

Zur Misere hat auch die internationale Konkurrenz beigetragen, Billigprodukte aus Asien oder die Verlagerung der Produktion anderer Manufakturen in die südungarische Stadt Pécs, die für ihre Keramik- und Porzellankolonien bekannt ist. Hinter vorgehaltener Hand gibt es mitunter auch Kritik am künstlerischen Konzept. „Die sind doch in der Adenauer-Zeit stehen geblieben“, sagt ein Wissenschaftler, der seit 20 Jahren in Karlsruhe lebt. Eine freischaffende Bildende Künstlerin wird noch deutlicher: Die Verantwortlichen hätten die Traditionsmarke nicht ausreichend herausgearbeitet, es fehlten Zielgruppenanalysen. „Das Sammlerzeug, was die noch anbieten, ist völlig aus der Mode“, sagt sie. Die Malerin spricht von „Führungslosigkeit im Bereich Gestaltung“ und meint, man habe es versäumt führende Köpfe zu verpflichten.“ Auch der Karlsruher Aktionskünstler Bert E.Klag, sagt provokant, die Keramik-Manufaktur sei „zur Spiellandschaft für einige weibliche Künstlerinnen geworden“, die Verantwortlichen hätten zu lange nicht mehr auf die Bedürfnisse reagiert und am Markt vorbei produziert.

Der Vorsitzende des Stiftungsrats, Klaus Lindemann, strebt derzeit weder eine Insolvenz noch eine Abwicklung an. Die von ihm so benannte „kreative Denkpause“ sieht er auch als Chance. Der Kulturbürgermeister der Stadt, Wolfram Jäger, bringt dagegen klar zum Ausdruck: „Ein Neustart ist nur in anderer Form in Teilen der Gebäude denkbar“. Aber auch er sagt, „die künstlerische Marke und die damit verbundene Keramiktradition“ wolle man auch in Zukunft erhalten.