Sex, Sex, Sex. Pardon, sechs, sechs, sechs – am Dienstag gibt es die 666. Vorstellung des „Caveman“ im Stuttgarter Theaterhaus zu sehen. Ein enormer Erfolg für Martin Luding, der im früheren Leben Immobilienhändler war.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Langweilig wird es einem mit Martin Luding nicht. Der Mann kann nicht nur reden, er tut es auch gerne. Die Geschichten scheinen aus ihm herauszuquellen, zum Beispiel, wie er damals mit Bandscheibenvorfall zur Bundeswehr ging. Oder als er und die Schauspielerin Esther Schweins sich „heiß und innig ineinander verliebten“, aber doch feststellten, „dass sie eher „wie Bruder und Schwester“ sind. Luding kennt Esther Schweins seit zwanzig Jahren, aus Zeiten, „als die noch keiner kannte“. Sie war es, die eines Abends bei Luding in der Küche stand und sagte: „Du spielst den Caveman.“

 

Kunst am Fließband. Aber sie macht Spaß.

Nach einer glücklosen Premiere im Theaterhaus Stuttgart übernahm Martin Luding ohne jede Bühnenerfahrung die Rolle des Caveman selbst. „Nach zwei Wochen war die Hütte voll“, sagt Luding. Das klingt eitel, aber es ist tatsächlich ein sensationeller Erfolg geworden. Seit zehn Jahren spielt Luding das Solo-Stück von Rob Becker über Mann und Frau und all das, was zwischen den Geschlechtern nicht funktioniert. 1800 Vorstellungen hat er bereits auf dem Buckel – in Baden-Württemberg haben ihn allein 750 000 Zuschauer gesehen. Am Dienstagabend wird Jubiläum gefeiert: Es ist Ludings 666. Vorstellung von „Caveman“ im Theaterhaus.

Das hört sich nach Kunst am Fließband an. Aber Luding macht es noch Spaß. „Sonst würde ich es nicht mehr machen“, sagt er. „Das lebt vom Spaß an der Freude, das muss sich übertragen.“ Das tut es, immer noch. Denn Martin Luding ist ein begnadeter Erzähler, der stets auf der Suche nach Kuriositäten und Pointen ist und es sichtlich genießt, Leute zu unterhalten. Kaum einer kann so schnell sprechen wie er – zur Not auch auf breitem Schwäbisch. Köstlich, wenn er die Theaterhausbesucher nachahmt: „Mir wellet zu dem Kaschber do, wie hoißt där no?“

Im ersten Leben war er Immobilienhändler

Dabei ist Martin Luding ein Amateur. „Ich habe nie eine Schauspielschule von innen gesehen“, erzählt er. Er hat ein wenig Sprechunterricht nebenher genommen, das war’s. Er hatte ja nie vor, auf die Bühne zu gehen. Luding ist in Berlin in einer wohlhabenden Familie groß geworden. „Hochgearbeitet? Pustekuchen!“, sagt er. Der Vater war im Immobiliengeschäft tätig – und die drei Söhne sollten es ihm gleichtun. Einer ging zur Bank, einer wurde Immobilienberater – und Luding studierte BWL und machte sich mit einer eigenen Immobilienfirma selbstständig.

Dass er nebenbei in einem Kurzfilm mitspielte, war eher Zufall, danach bekam er holterdiepolter das Angebot, bei einem Sat-1-Movie aufzutreten. „Det war’s“, sagt Luding, „da hat es mich voll erwischt.“ Obwohl er damals „noch nie ein Theater von innen gesehen hatte“, wusste er plötzlich, dass er spielen will – und nicht eines Tages „mit Porsche und Villa im Grunewald und einem Knacks“ enden. Also ist er „voll ausgestiegen“, hat sich von seinem Unternehmen getrennt und saß erst einmal wartend vor dem Anrufbeantworter.

Nach kleineren Fernsehengagements und einer Serie, die so schlecht war, dass sie gar nicht mehr ausgestrahlt wurde, kam „Caveman“. Zehn Schauspieler sind derzeit in der Inszenierung von Esther Schweins unterwegs, Luding ist stolz darauf, dass er als Einziger noch die Urfassung spielt. Wobei auch er einiges geändert hat – sein Caveman schlurft nicht, wie von Schweins inszeniert, im Bademantel an den Kiosk und holt Bier. „Das hab ich anders angelegt“, sagt Luding, sein Caveman trägt Hemd und holt sich eine Zeitschrift. „Er ist sympathisch, aber ein bisschen vertrottelt.“

Von Ibiza nach Botnang

Gibt es Ähnlichkeiten zwischen Caveman und Luding? Luding ist in jedem Fall nicht von seiner Frau vor die Tür gesetzt worden, sondern nach drei Jahren auf Ibiza mit seiner Familie in ein Häuschen in Botnang gezogen. Viel hält den 41-Jährigen in Stuttgart nicht, aber die meisten Engagements hat er eben im Theaterhaus – auch mit der Nachfolgeproduktion „Hi Dad!“, mit „Männerabend“ mit Roland Baisch und seinem Stück „Auf und davon“.

Geschäftsmann ist Luding aber trotzdem geblieben, nur nicht mehr in der Immobilien-, sondern in der Theaterbranche. Er hat ein Unternehmen gegründet. „Ich bin die Firma, aber die Firma sorgt für mich.“ Und sie steht wieder glänzend da, nachdem auch Luding von der Wirtschaftskrise erwischt worden war. Er war gerade auf Ibiza, als ihm sein Kollege mitteilte, dass sie quasi bankrott seien, weil der Kartenverkauf dramatisch eingebrochen war. „Das fühlt sich unglaubliche Scheiße an, wenn man im Bademantel am Pool steht und das hört“, sagt Luding – und könnte eigentlich ein neues Bühnenprogramm aus der Story machen. Und zwar eins mit einem guten Ende: „Ich habe eineinhalb Jahre wie ein Berserker gearbeitet“, sagt er, „jetzt stehe ich besser da als zuvor.“