Meisterdetektiv mal anders: „Mr. Holmes“ Das müde Gehirn des Genies

Spätestens seit der TV-Serie „Sherlock“ haben wir alle Sherlock Holmes wieder als blitzschnellen Hirnakrobaten vor Augen. „Mr. Holmes“ wagt einen ganz anderen Ansatz. Er zeigt einen alten Detektiv, dem die Dinge entgleiten. Kann dabei mehr als Denkmalschändung herauskommen?
Stuttgart - Da steht er nun, der Mann, dessen genial kombinierendes Gehirn kein anderer verstehen konnte, Sherlock Holmes, der unvergleichliche Detektiv aus Londons Baker Street. Aber nun versteht auch Holmes sein eigenes Gehirn nicht mehr. Beziehungsweise, er versteht es nur allzu gut, begreift, dass diese Beobachtungs-, Analyse-, Erinnerungs- und Vorausplanungsmaschine sich zersetzt, dass sie Fehlzündungen liefert und immer mehr Blicke ins Nichts freigibt, dorthin, wo vorher noch klare Bilder lagerten.
Der Meisterdetektiv, den einst der Autor Arthur Conan Doyle erfunden hat, der aber für viele Krimifreunde weltweit mehr Glaubhaftigkeit besitzt als viele historisch verbürgte Gestalten, ist in Bill Condons Spielfilm „Mr. Holmes“ bereits 93 Jahre alt. Schon lange lebt er zurückgezogen auf dem Land. Hier gibt es wenige Menschen, denen auffallen könnte, dass Holmes senil wird, vielleicht gar an Alzheimer erkrankt ist. Aber Roger (Milo Parker), der Sohn seiner Haushälterin Mrs. Munro (Laura Linney), wird nun dadurch zum Problem, dass er Holmes’ Abbau nicht bemerkt, dass er nach Erzählungen und Erinnerungen verlangt und Holmes zur Konfrontation mit gerade jenen Bildern zwingt, die er wohl gerne schon aus dem Kopf hätte.
Ein Fall für McKellen
Der Schauspieler Ian McKellen kann ganz wunderbar strenge Autoritätsfiguren spielen, die zugleich etwas Anarchisches, ganz und gar aus der Ordnung Fallendes haben, man denke an seinen Gandalf in Peter Jacksons „Herr der Ringe“ oder seinen Magneto in den Hollywood-Adaptionen von „X-Men“. Als grummeliger Holmes, der sich Roger und der Vergangenheit nur widerwillig öffnet, liefert er eine neue Glanzleistung.
Spielerische Kabinettstücke braucht es allerdings auch, denn sowohl die TV-Serie „Sherlock“, die einen von Benedict Cumberbatch gespielten Holmes ins Hier und Jetzt holt, wie Guy Ritchies Kinofilme, in denen Robert Downey Jr. als Holmes ein mit Steampunk-Elementen bereichertes viktorianisches London durchstreift, haben uns den Verbrecherjäger als unbezähmbares Hirnenergiebündel ins Gedächtnis gebrannt. Ein falscher Schritt, und Ian McKellens verfallender Holmes des Jahres 1947 wäre nur noch eine verquälte Karikatur des anderswo frisch aufpolierten Popkulturhelden.
Der Sinn des Gemächlichen
Aber McKellen hat die Figur so fest wie behutsam im Griff. Man könnte dem Amerikaner Condon („Kinsey – Die Wahrheit über Sex“) vielleicht vorhalten, dass er im Bemühen, sich vom Tempo von „Sherlock“ abzusetzen, etwas zu gemächlich inszeniere. Aber immer wieder schafft die Regie damit jene Ruhezonen, in denen wir Holmes als Ausgebrannten erkennen: Wir sehen, was ihm sein Leben abverlangt hat.
Mr. Holmes. Großbritannien 2015. Regie: Bill Condon. Mit Ian McKellen, Milo Parker. 104 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.
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