Auf der Fachmesse Agritechnica in Hannover zeigt die internationale Landmaschinenbranche diese Woche ihre neuesten Entwicklungen. Ein wichtiges Schwerpunktthema ist die Vernetzung der Agrarproduktion unter dem Schlagwort Landwirtschaft 4.0.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Hannover - Wer ein Faible für haushohe Traktoren, Mähdrescher mit zwölf Meter Arbeitsbreite oder euterfreundliche Hochleistungsmelkroboter hat, kommt auf der Agritechnica auf seine Kosten. Auf der weltgrößten Landtechnikmesse in Hannover können sich Besucher bis zum Samstag über Innovationen für Acker und Stall informieren. Ein Megatrend ist die Digitalisierung der Agrarproduktion, die mit Blick auf die Entwicklung in der Industrie unter Landwirtschaft 4.0 firmiert. Manche Branchenvertreter versprechen gar eine zweite grüne Revolution, die die Landwirtschaft vollkommen umkrempeln werde.

 

So zeigt etwa der Traktorenbauer Fendt neben seinen Großschleppern auch den Feldroboter Xaver – eine Reminiszenz an den Firmengründer Xaver Fendt. Die kleinen Elektrovehikel, die sich per Satellitennavigation orientieren, rücken als Schwarm aus, um ohne Zutun des Landwirts zu säen oder Pflegearbeiten auszuführen.

Die GPS-Steuerung von Traktoren oder Mähdreschern ist auch bei größeren Maschinen verbreitet. Es gibt zudem Geräte, die Unterschiede innerhalb eines Ackers berücksichtigen und kleinere Teilflächen individuell behandeln können. So lässt sich etwa die Düngermenge aufgrund von Bodenuntersuchungen variieren. Als Anhaltspunkt für den Nährstoffbedarf können auch die vom smarten Mähdrescher erfassten Erntemengen einzelner Teilflächen dienen. Die digitale Präzisionslandwirtschaft soll auch helfen, Pflanzenschutzmittel nur auf den Teilen eines Feldes einzusetzen, wo sie nötig sind. Eine entscheidende Rolle spielen dabei Sensoren, die Unkräuter oder Krankheiten erkennen.

Unkrautbekämpfung ohne Chemie

Bei einer Umfrage des VDI-Fachbereichs Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik aus dem vergangenen Jahr gehen 80 Prozent der Experten davon aus, dass es in zehn Jahren möglich sein wird, Unkräuter in vielen Nutzpflanzenbeständen ohne chemische Unkrautvertilger zu bekämpfen. Stattdessen werde die unerwünschte Konkurrenz zielgenau mechanisch oder durch Hitzebehandlung in Zaum gehalten.

Die Digitalisierung soll aber noch viel weiter gehen. Unter dem Schlagwort Big Data sollen alle Daten, die die schlauen Maschinen sammeln, verknüpft und in einer Datenwolke gespeichert werden. Einfließen können auch Wetterprognosen oder Bodenfeuchte und -temperatur. Die Industrie arbeitet zudem an Drohnen, die den Befall mit Insekten oder Krankheiten melden. Aufgrund all dieser Informationen, so die Vision mancher Industrievertreter, könnten dann Algorithmen entscheiden, ob es sich etwa lohnt, gegen eine Pilzkrankheit zu spritzen. Denkbar ist auch, dass der Landwirt gar nicht mehr selber auf dem Trecker sitzen muss, sondern dass autonome Maschinen die Arbeiten ausführen. Bis dahin ist es freilich noch ein weiter Weg. „Im Gegensatz zu vollmundigen Ankündigungen mancher Hersteller stehen wir bei der Einführung der digitalen Landwirtschaft und der Nutzung von Big-Data-Technologien noch ganz am Anfang“, schreibt Till Meinel, Professor am Institut für Bau- und Landmaschinentechnik der TH Köln, mit Blick auf die diesjährige Agritechnica.

In den nächsten Jahren erwarten die Hersteller denn auch ein kräftiges Wachstum. So verweist der Bosch-Konzern auf eine Studie, der zufolge der Weltmarkt für digitale Landwirtschaft bis 2020 von derzeit 3,5 Milliarden Dollar auf sechs Milliarden Dollar wachsen soll. Die Stuttgarter sind in Hannover unter anderem mit einem Sensor vertreten, der Mikroklimadaten wie Feuchte und Temperatur erfasst und den Landwirt per Smartphone informiert, ob zum Beispiel seinem Erdbeerfeld Frost oder Pilzbefall droht. So kann er etwa rechtzeitig eine Frostschutzfolie auslegen. Zudem präsentiert Bosch ein System, das prüft, ob die Milch in Tanks gleichmäßig gekühlt wird. Dies soll das Risiko verringern, dass die Milch verdirbt. Die Markteinführung ist im kommenden Frühjahr geplant.

Biobauern fürchten weitere Industrialisierung

Auch die Biobauern sehen in den neuen Technologien Chancen – vor allem bei der Unkrautbekämpfung, die dort seit jeher mechanisch vonstattengeht. Bisherige Hackmaschinen beseitigen Unkräuter nur zwischen den Kulturpflanzenreihen. Roboter, die unerwünschte Pflanzen erkennen, könnten auch innerhalb der Reihen Unkraut zupfen. So könnten auch konventionelle Landwirte mit weniger Unkrautvertilger auskommen, sagt ein Bioland-Sprecher.

Wunder seien aber nicht zu erwarten: „Die positiven Umweltwirkungen der Digitalisierung werden überschätzt.“ Die Vernetzung der Landwirtschaft, die auch von Agrarchemieanbietern wie Bayer und Monsanto vorangetrieben wird, sieht der Anbauverband ohnehin kritisch. Die Firmen trachteten vor allem deshalb nach den Daten der Bauern, damit sie ihre Produkte besser verkaufen könnten, so der Verdacht. „Das Ganze geht in Richtung einer weiteren Industrialisierung der Landwirtschaft“, sagt der Bioland-Sprecher. Das Höfesterben werde durch die Digitaltechnik eher verstärkt, weil sich die hohen Investitionen für kleine Betriebe nicht rechneten.