Der Trend zum Auslandsjahr bei Schülern nimmt weiter zu, wie die Messe „Fernweh“ im Stuttgarter Dillmann-Gymnasium zeigt. Australien und Kanada sind bei jungen Menschen zur Zeit am beliebtesten.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Australien schwebt ihm vor nach dem Abitur. Ein Jahr Work & Travel mit einem Freund möchte Kevin Stoll machen. Um sich darüber zu informieren, ist der 17-Jährige am Samstagvormittag extra mit seiner Mutter und seiner Schwester Vanessa in den Stuttgarter Westen gefahren. Im Dillmann-Gymnasium hat sich die Familie bei der Schüleraustausch-Messe Fernweh über Möglichkeiten für Kevin informiert.

 

Die USA sind längst nicht mehr so beliebt für einen Schüleraustausch

Australien, Kanada, Neuseeland sind inzwischen die Top-Reiseziele unter Jugendlichen. Die USA, früher beliebtestes Reiseziel für ein Highschool-Jahr, sind inzwischen fast out, sagt Michael Eckstein von der Deutschen Stiftung für Völkerverständigung. Seit 2001 organisiert er die Schüleraustausch-Messe, seit einigen Jahren bundesweit von „Kiel bis Konstanz“. Er hält es für wichtig, junge Menschen ins Ausland zu schicken. Deshalb hat er die Stiftung gegründet, deren Vorsitzender er ist. Seine Devise: „Wenn man sich kennt, schlägt man sich nicht.“ Je jünger man mit anderen Kulturen in Kontakt komme, desto besser.

Deshalb befürwortet er ein Auslandsjahr während der Schulzeit in einer Gastfamilie. „Nur so lernt man Land und Leute wirklich kennen“, ist Eckstein überzeugt. Work und Travel machen viele nach dem Abitur, aber das sei ein anderes Spiel. „Unkraut zupfen in Neuseeland ist das quasi“, sagt er.

Ein Jahr im Ausland zu organisieren ist ein großer Aufwand: Man muss eine Familie und eine Schule finden, ein Visum beantragen, Flug buchen und vieles mehr. Längst gibt es unzählige Spezialreiseveranstalter, die einem all den Organisationskram abnehmen. Rund 20 solcher Anbieter haben sich auf der Messe im Dillmann-Gymnasium präsentiert. Jutta Brenner arbeitet für den Anbieter Weltgewandt, der sich auf Austauschprogramme in Kanada und Neuseeland für Schüler zwischen 13 und 18 Jahren spezialisiert hat. „Die beiden Länder sind sehr angesagt“, sagt auch Brenner.

All-Inclusive kostet ein Auslandshaufenthalt für drei Monate um die 7500 Euro

Ihr Unternehmen kümmere sich bei einem Auslandsaufenthalt um alles. Dieser All-inclusive-Service hat natürlich seinen Preis. Für etwa 7400 Euro kommt ein Schüler mit Weltgewandt drei Monate nach Kanada, für 7800 Euro nach Neuseeland. Wer sechs Monate bleiben will, zahlt für Neuseeland etwa zwölftausend Euro. Eltern könnten aber Schüler-Auslands-Bafög beantragen. „Das muss man nicht zurückzahlen“, sagt sie.

Etwa 14 000 deutsche Schüler würden sich pro Jahr für einen Auslandsaufenthalt entscheiden. „Das Bedürfnis wegzugehen nimmt zu und wird von uns unterstützt“, sagt Roland Rebmann, Abteilungsleiter am Dillmann-Gymnasium und für Ausland und Fremdsprachen zuständig. Viele Eltern zweifeln seit der Einführung von G 8 daran, ob eine lange Abwesenheit während der Schulzeit sinnvoll ist. Rebmann sieht dies anders: „Die Rückkehrer machen in kurzer Zeit große Fortschritt. Menschlich und was ihre soziale Kompetenz angeht.“

Wer als junger Mensch heutzutage etwas auf sich hält, muss ja mindestens einmal länger ins Ausland. Allein. Je exotischer, desto besser. Schüler, deren Eltern das Geld nicht haben, sind da oft ausgregrenzt. Ein „offenes Problem“ sei dies nicht, sagt Rebmann. „Aber ich kann mir schon vorstellen, dass es bei vielen zu Hause ein Thema ist.“

Kevin Stoll und seine Mutter haben sich entschieden, das Geld für eine Organisation lieber zu sparen: „Man kann das selbst organisieren. Dann bin ich auch unabhängiger.“