Über Amanda Knox, die in Italien wegen Mordes vor Gericht gestellte Amerikanerin, gab es schon viele Medienberichte. Der britische Regisseur Michael Winterbottom löst sich nun von den Fakten. Er fabuliert von einem Regisseur, der einen echten Mordfall recherchiert.

Stuttgart - Mit dem Freispruch von Amanda Knox, dem „Engel mit den Eisaugen“, und ihrem Freund Rafaele Sollecito endete im März 2015 ein umstrittener Prozess der italienischen Rechtsgeschichte. Knox und Sollecito wurden beschuldigt, in Perugia die Britin Meredith Kercher ermordet zu haben.

 

Über Tathergang und mögliche Motive der Angeklagten ist viel spekuliert worden. Was sich wirklich in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November 2007 in der Wohnung von Kercher und Knox abgespielt hat, bleibt ein Rätsel. Doch Michael Winterbottom („The Look of Love“) interessiert sich in „Die Augen des Engels“ sowieso weniger für die Faktenlage als für metaphysische Fragen.

Nachtleben mit Koks

Der von Daniel Brühl gespielte Regisseur Thomas Lang will einen anspruchsvollen Film über den Mord an einer Studentin in Italien drehen. Doch nicht nur das Ehe-Aus, sondern auch die Erwartungen seines Produzenten belasten ihn. Bei seinen Recherchen begegnet Lang der Journalistin Simone (Kate Beckinsale), mit der er eine unterkühlte Affäre beginnt. Mit der jungen Kellnerin Melanie (Cara Delevingne) driftet er durchs Nachtleben und probiert Kokain. Allmählich verfällt Lang in einen wahnhaften Zustand.

Brühl kann das Wesen seines somnambulen Charakters nicht fassen und agiert mit ratlos starrer Mimik. Auch der Regisseur scheint sich nicht sicher zu sein, was er erzählen soll, und greift viele Aspekte der Geschichte auf, zum Beispiel die Rolle der Medien und die schlampige Ermittlungsarbeit der Polizei, ohne sie zu einem schlüssigen Plot zu verbinden. Dass Winterbottom seine eigenen Probleme, der Geschichte Herr zu werden, in der Figur des Thomas Lang spiegelt, ist ein ironischer Clou, vermutlich aber ein unbeabsichtigter.

Die Augen des Engels. Großbritannien, Italien, Spanien 2014. Regie: Michael Winterbottom. Mit Daniel Brühl, Kate Beckinsale, Cara Delevingne, Valerio Mastandrea. 102 Minuten.