In einem Brief hat sich Papst Franziskus an die Menschen gewandt. Darin bezeichnet er den Missbrauch durch katholische Würdenträger als „Verbrechen“ und die Vertuschung als „Kultur des Todes". Ein echter Fortschritt, findet unsere Italien-Korrespondentin Almut Siefert.

Rom - Verbrechen, Kultur des Todes – so deutlich hat sich noch nie ein Papst über die Missbrauchsfälle geäußert, die massenhaft von geistlichen Würdenträgern der katholischen Kirche begangen wurden. Nach den jüngsten Enthüllungen einer Grand Jury in Pennsylvania, in denen Hunderten Priestern der Missbrauch von mehr als 1000 Kindern vorgeworfen wird, hat sich das Kirchenoberhaupt nun in einem Brief in vielen Sprachen an „das Volk Gottes“ gewandt. Alleine das ist bemerkenswert. Der Brief richtet sich nicht an Bischöfe oder Würdenträger, er richtet sich an alle Menschen. Als der damalige Kardinal Joseph Ratzinger 2001 im Schreiben „De delictis gravioribus“ das Vorgehen bei Missbrauchsfällen erläuterte, wurde dieses Schreiben nur in Latein veröffentlicht.

 

Auch die Worte, die Franziskus findet, sind einmalig. Die Sprache dieses Briefes schreit die Scham und den Ekel des Menschen Jorge Mario Bergoglio gegenüber den begangenen Verbrechen und deren Vertuschung heraus. Damit dürften viele Gläubige sich in ihrer Wut und ihrem Unverständnis verstanden fühlen. Doch um kirchliche Strukturen dauerhaft zu ändern, braucht es mehr als einen leidenschaftlichen Brief. Leider ist die Gefahr groß, dass nach dem Pontifikat Bergoglios die alten Umgangsformen beim Thema Missbrauch wieder die Oberhand gewinnen werden.