Weniger Inflation, womöglich bald sinkende Zinsen, mehr Kaufkraft: Der Kanzler will bei einem Verbandsjubiläum Optimismus bei Unternehmern verbreiten. Von denen kommt Kritik - auch an einem Minister.

Wiesbaden - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Familienunternehmen trotz mancher Herausforderungen zu "Zuversicht nach vorn!" aufgerufen. Die Inflation liege so niedrig wie seit drei Jahren nicht, die Analysten sähen sinkende Zinsen in Reichweite, sagte er am Donnerstag in Wiesbaden bei den Familienunternehmer-Tagen des gleichnamigen Verbandes. Dieser feierte sein 75-jähriges Bestehen. "Die Geschäftserwartungen im Mittelstand und bei den Exporteuren ziehen an", ergänzte Scholz. "Die Kaufkraft steigt endlich wieder." Die reale Bruttowertschöpfung der Industrie sei trotz Inflation und vorübergehenden Produktionsrückgangs in energieintensiven Branchen stabil geblieben. 

 

Im Zentrum stehe für ihn eine "Angebotspolitik" mit vier Elementen: bezahlbare, sichere und nachhaltige Energie, Investitionen in Infrastruktur und neue Technologien, weniger Bürokratie und gut ausgebildete Fachkräfte. Die Energiepreise haben sich dem Kanzler zufolge trotz des Ukraine-Krieges auch dank einer neuen Import-Infrastruktur stabilisiert: "Im laufenden Jahr sollen sich die Einfuhr-Kapazitäten für Flüssiggas an den deutschen Küsten gegenüber 2023 noch einmal mindestens verdoppeln." Die Stromsteuer sei "radikal reduziert" worden. Über eine mögliche Fortschreibung der Entlastungen für Firmen werde in der Bundesregierung gesprochen.

Bei der Entwicklung der Infrastruktur ist laut Scholz in den vergangenen Jahren zu viel liegengeblieben: "Das ändern wir jetzt. Wir fördern, wir investieren und wir machen Tempo. Bei den Windrädern und Solarparks, bei den Brücken und Straßen und bei sauberen Kraftwerken." Im Wachstumschancengesetz sei neben Abschreibungsbedingungen, Verlustverrechnung und Wohnungsbauförderung vor allem mehr steuerliche Forschungsförderung ermöglicht worden. "Ich könnte mir da auch noch kraftvollere Impulse vorstellen", mahnte Scholz. Davon müssten noch ein paar Bundesländer überzeugt werden.

Ostermann: Unsere Wirtschaft ist auf Talfahrt

Die Bürokratie für Firmen nannte er ein "Regel-Dickicht", das kaum noch "administrierbar" sei. Daher werde etwa "an einem einfacheren Bau- und Planungsrecht und an Entlastungen im Vergaberecht" gearbeitet. Das solle die Hürden gerade für kleinere Unternehmen mit Interesse an öffentlichen Aufträgen senken.

Angesichts des Fachkräftemangels verwies der Kanzler auf das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz und auf mehr Ganztagsbetreuung von Kindern. Er kündigte zudem an, es solle für Ältere noch attraktiver gemacht werden, "über den Renteneintritt hinaus freiwillig weiterzuarbeiten".

Die Präsidentin des Verbandes Die Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann, rief Scholz dazu auf, die Wirtschaftspolitik zur Chefsache zu machen und dafür zu sorgen, dass es sich wieder rechne, in Deutschland zu investieren: "Unsere Wirtschaft ist auf Talfahrt und rutscht immer weiter ab." Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) "schießt leider eher Eigentore". In Unternehmerkreisen gelte er als überfordert. Scholz sagte, ohne Habecks Namen zu nennen, in der Energiepolitik habe es nach dem Stopp des russischen Gases im Zuge des Ukraine-Krieges einen weltweit beachteten zügigen Aufbau von Flüssigerdgas-Terminals in Deutschland gegeben: "Das ist schon ein Verdienst."