Nach dem Anschlag erhält der Mohammed-Karikaturist Kurt Westergaard permanenten Personenschutz. Das Land ist schockiert.

Århus - Kurt Westergaard ahnte, der Moment werde eines Tages kommen. Schon als die dänische Polizei vor zwei Jahren zwei Tunesier und einen Marokkaner festnahm und - eigenen Angaben zufolge - einen konkreten Mordanschlag auf den Karikaturisten verhinderte, sagte der 74-jährige, seine Zeichnung des Propheten Mohammed mit der Bombe im Turban werde ihn sein Leben lang verfolgen.

Erleichterung nach dem Attentat


Am Freitagabend um kurz nach 22 Uhr wurde aus der bangen Vorahnung ernste Realität. Mit einer Axt verschaffte sich ein 28-jähriger Somalier Zugang zum Haus der Westergaards am Stadtrand von Århus. Nur in letzter Sekunde konnte sich der Zeichner in sein zu einem Sicherheitsraum umgebautes Badezimmer retten, von wo aus er die Polizei alarmierte. Nur drei Minuten danach war der erste Einsatzwagen vor Ort, wenige Minuten später waren es ein knappes Dutzend. Als der Attentäter die Beamten mit seiner Axt und einem Messer bedrohte, setzten diese ihn mit gezielten Schüssen in Arm und Bein außer Gefecht.

Westergaard zeigte sich kurz nach dem Attentatsversuch erleichtert, war aber offensichtlich unter Schock. Es sei "grauenvoll" gewesen, sagte er, und "sehr knapp". Mit ihm im Haus befand sich seine 5-jährige Enkeltochter, die unter Tränen miterleben musste, wie der Attentäter mit seiner Axt versuchte, die Tür des Sicherheitsraumes einzuschlagen, während er in gebrochenem Dänisch "Blut" und "Rache" schrie. "Ich wusste, der Täter würde sich nicht an dem Mädchen vergreifen", sagte Westergaard. "Und wenn doch, ich hätte nichts machen können."

Über den Täter ist relativ wenig bekannt. Laut Angaben des dänischen Nachrichtendienstes PET steht der Ostafrikaner in Verbindung mit den radikalislamischen Al-Shabab-Milizen in Somalia. Aus diesem Grund habe man den 28-Jährigen zusammen mit anderen Somaliern überwacht. Wie es ihm gelingen konnte, von seiner Wohnung am Stadtrand Kopenhagens in das 300 Kilometer entfernte Århus zu gelangen und in Westergaards Haus einzudringen, bleibt ungeklärt. Den Behörden zufolge habe sich der Somalier spontan zu dem Anschlag entschlossen und allein gehandelt.

Er hatte nur seinen Job gemacht


Weniger überraschend ist, dass sich das Attentat erneut gegen Westergaard richtete. Der 74-Jährige hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Symbolfigur des seit 2005 entfesselten Karikaturenstreites entwickelt, auch weil er sich - im Gegensatz zu elf anderen in den Streit verwickelten Karikaturisten - nicht aus der Öffentlichkeit zurückzog. Erst vor einem Jahr illustrierte Westergaard das Buch eines islamkritischen dänischen Publizisten. "Natürlich ist da Trotz dabei, und Trotz ist ein guter Antrieb", begründete Westergaard seine Entscheidung. "Es ist absurd, dass man sich im eigenen Land verstecken muss. Ich habe nichts Kriminelles getan, nur meinen Job als Zeichner ausgeführt."

Es gehe ihm um das Prinzip der Meinungsfreiheit, betont Westergaard. Auch der Vorwurf, mit seiner Zeichnung des Propheten habe er die Moslems kränken oder provozieren wollen, sei absurd. Mit der Bombe im Turban habe er seinerzeit nur darstellen wollen, dass zahlreiche Terroristen ihren geistigen Sprengstoff aus dem Koran beziehen würden. In Dänemark könne jeder seine Religion ausüben, wie er wolle. Er müsse nur die Grundlagen der säkularen Gesellschaft, also Demokratie und Menschenrechte, akzeptieren. "Für mich ist die Karikatur ein Ausdruck von Anerkennung und Gleichberechtigung, dass wir die Zuwanderer ebenso aufs Korn nehmen wie die normalen Dänen. Mein eigenes hausgemachtes demokratisches Credo lautet: Ich kritisiere dich, ergo nehme ich dich ernst."

Dieses Credo aber hat das Leben Westergaards und seiner Familie wohl für immer verändert. In den vergangenen Jahren stand er unter permanenter Beobachtung der dänischen Sicherheitsbehörden, lebte zeitweise unter geheim gehaltenen Adressen. Sein Haus wurde von Spezialisten zu einem Hochsicherheitstrakt umgebaut, in einer Hosentasche trägt Westergaard permanent einen Alarmknopf. Während der Geburtstagsfeier seiner Frau war ein Sicherheitsbeamter als Kellner getarnt, während zwei weitere Beamte in der Garage bereitstanden. Wollte Westergaard sein Heim verlassen, musste er die Behörden darüber stets im Vorfeld informieren.

Der Künstler ist an einem geheimen Ort


Nach den Ereignissen des Wochenendes wird Westergaard nun einen permanenten Personschutz erhalten. Der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen, der erst in seiner Neujahrsansprache für eine bessere Integration von in Dänemark lebenden Ausländern warb, sprach von einem "abscheulichen Angriff" auf Westergaard, aber auch auf die dänische Gesellschaft.

Unterdessen ist der Künstler an einen geheim gehaltenen Ort gebracht worden. Ob der Anschlag ihn davon abbringen wird, sich künftig zu äußern, ist fraglich. "Was habe ich noch zu verlieren", sagte der 74-Jährige bereits in der Vergangenheit lakonisch. Zwar sei die Angst sein ständiger Begleiter, doch habe er gelernt, sie in Wut auf diejenigen zu wandeln, die sein Leben bedrohten: "Jetzt fangen auch viele Dänen an zu sagen: ,Nein, bitte keine neuen Zeichnungen.' Ich erhalte viel Post deswegen. Aber wo soll das enden? Wollen wir um des lieben Friedens willen kapitulieren und die Meinungsfreiheit opfern?"