Die Sendung „Aktenzeichen XY“ hat dem Fall am Mittwochabend viel Sendezeit eingeräumt. Die Erkenntnisse: Die Bankiersfrau Maria Bögerl soll ausspioniert worden sein. Ihre Mörder vermutet die Polizei nahe Heidenheim. Sie hofft auf Zeugen.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Heidenheim - Der Leiter der Sonderkommission Flagge, Volker Zaiß, ist ein eloquenter Mann, der freien Rede durchaus mächtig. Dass er am Mittwoch Abend in der Sendung Aktenzeichen XY die vom Moderator Rudi Cerne gestellten Fragen hölzern vom Blatt ablas, zeigte etwas vom Druck, der auf ihm lastet, seit Anfang des Jahres die Ermittlungen zum Mord an der Heidenheimerin Maria Bögerl nach Stuttgart übertragen wurden. Der Fernsehauftritt des Ermittlers, der aufwendig produzierte Film, der die Entführung der Bankiers-Ehefrau am 12. Mai 2010 nachspielte, dürfte, zweieinhalb Jahre nach der Bluttat und nach Tausenden vergeblichen Arbeitsstunden, die letzte große Chance sein, über eine Öffentlichkeitsfahndung dem Täter – oder wie nun vermutet werden muss: den Tätern – auf die Spur zu kommen.

 

Dass der Entführer und Mörder Maria Bögerls mindestens einen Helfer gehabt haben könnte, gehört zu den großen Neuigkeiten dieses Mittwochabends. Mehrere Kippen selbst gedrehter Zigaretten, gefunden unter einem Baum im Innenhof des Klosters Neresheim, neben dem die A-Klasse der Ermordeten abgestellt worden war, deuten auf eine Person hin, die dort lange stand und wartete. Hat ein Helfer den Mörder mit einem anderen, bereitgestellten Fahrzeug nach dem Mord die zwölf Kilometer vom Kloster zur Geldübergabestelle an einer Betriebsausfahrt der Autobahn 7 bei Heidenheim gebracht? Wie anders hätte der Entführer die Distanz in relativ kurzer Zeit überbrücken sollen?

Ein Förster hat die Abschnittstelle des Birkenstocks gefunden

Entführt wurde Maria Bögerl zwischen 10.30 Uhr, gegen 11.25 Uhr flehte die Frau ihren Mann, den damaligen Heidenheimer Kreissparkassenvorsitzenden Thomas Bögerl, über ihr Handy an, die verlangten 300 000 Euro zu bezahlen. Noch vor 14 Uhr muss der Mörder den Birkenstock mit der Deutschlandflagge am Rand der A 7 befestigt haben. Ein Förster fand, direkt neben dem Leichenfundort, an einem Baum die passende Abschnittstelle des Stocks.

Vor allem berichtete Zaiß noch von einem anonymen Brief , den die Polizei für authentisch hält und in dem der Absender von mehreren Tatbeteiligten spricht. Die Gesuchten, das glaubt die Soko Flagge fest, sind Einheimische, die entweder regelmäßig zwischen Nattheim (Kreis Heidenheim) und Nördlingen (Kreis Donau-Ries) pendeln oder in diesem Gebiet wohnen. Vor allem dieser Schreiber wurde ermuntert, sich notfalls anonym via Internet über einen eigens eingerichteten Internetpfad zu melden (https://www.bkms-system.net/bw-soko-flagge).

Auch eine Stuttgarter Taxifahrerin wird gesucht

Überraschend fahndet die Stuttgarter Sonderkommission jetzt auch nach einer Stuttgarter Taxifahrerin. Sie soll Maria Bögerl zwei Monate vor dem Verbrechen vom Hauptbahnhof Stuttgart in eine Arztpraxis in der Hölderlinstraße gebracht haben.

Weshalb diese Zeugin wichtig ist, verdeutlichte am Donnerstag ein Sprecher der Landespolizeidirektion Stuttgart: „Die Soko hat Anhaltspunkte für eine mögliche Observation Maria Bögerls. Der Taxifahrerin könnte etwas Wichtiges aufgefallen sein.“ Zaiß und sein Kollege Markus Martz erneuerten in der Sendung ihren Aufruf an Zeugen, die in der Zeit vor dem 12. Mai 2010 etwas Verdächtiges in der Wohnstraße der Bögerls in Heidenheim-Schnaitheim gesehen habe, sich zu melden. Es handelt sich um eine schmale Sackgasse. Das letzte Haus gehört der Bankiersfamilie.

Drama der Hinterbliebenen war kaum ein Thema

Das Drama der Hinterbliebenen wurde nur kurz mit dem Hinweis gestreift, Thomas Bögerl habe sich selber getötet. Der Vorstandsvorsitzende hatte an Depressionen gelitten und war schließlich nicht mehr in der Lage gewesen, das Geldhaus zu führen. Unerwähnt ließ Zaiß das Zerwürfnis mit den beiden Bögerl-Kindern, die, wie man inzwischen weiß, mit einer umstrittenen Trojaner-Software ausspioniert wurden. Die Kinder warfen der Polizei in Interviews Versagen vor.

Unerwähnt blieb zudem, dass Maria Bögerls Leichnam bei einer Geländedurchsuchung wenige Tage nach der Tat von Polizeikräften schlicht übersehen wurde. Ein Spaziergänger mit Hund entdeckte die Tote erst am 3. Juni 2010, nachdem der Regen viele Spuren weggewaschen hatte.

Zunächst geht der Blick nach der Ausstrahlung des 25-minütigen Beitrags wieder nur nach vorne. Bis zum Mittwoch Abend waren laut der Polizei „deutlich über 200 neue Hinweise“ eingegangen.