Die tödlichen Schüsse in einer Anwaltskanzlei im Stuttgarter Osten geben der Polizei Rätsel auf. Täter und Opfer kannten sich seit längerem. War der 67-Jährige aus Offenbach nach Stuttgart mit einer Schusswaffe angereist, um einen Streit ums Geld dramatisch zu beenden?

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Er tötete den Rechtsanwalt mit einem Schuss in den Oberkörper, danach richtete er sich selbst. Doch was den 67-jährigen Mann aus Offenbach zu der Bluttat am Montag in einer Anwaltskanzlei an der Gerokstraße im Stuttgarter Osten getrieben hatte – das bleibt vorerst ein Rätsel. Karl Heinz S. soll mit dem 75-jährigen Stuttgarter Anwalt eine geschäftliche Beziehung gehabt haben. „Und es gibt Anhaltspunkte dafür, dass es mutmaßlich eher um Geld ging“, heißt es in Ermittlerkreisen. Doch hierfür sind am Main noch einige Nachforschungen im Umfeld des 67-Jährigen notwendig.

 

Nicht so ganz klar ist, in welcher Branche Karl Heinz S. überhaupt tätig gewesen ist und wie die Verbindung zum 75-jährigen Mordopfer zustande kam. „Täter und Opfer haben sich offenbar seit mehreren Jahren gekannt“, sagt Polizeisprecher Stephan Widmann.

In Juristenkreisen heißt es, der 75-jährige Anwalt habe erst vor kurzem ein Mandat in Frankfurt wahrgenommen. Ob es dabei um straf- oder zivilrechtliche Fälle gegangen sei, ist seinen Kollegen nicht bekannt; auch nicht, ob der 67-Jährige womöglich der Auftraggeber des Juristen gewesen sein könnte. Der Stuttgarter Anwalt soll freilich vor vielen Jahren Mandantschaft im Frankfurter Rotlichtmilieu gehabt haben.

Der 67-Jährige war bei der Polizei bekannt

Ob Karl Heinz S. mit dem Milieu etwas zu tun hat, gilt als eher zweifelhaft. Zumindest ist der 67-Jährige bei der Polizei ein unbeschriebenes Blatt gewesen. In den polizeilichen Datensystemen ist seine Person nicht zu finden. „Die halbautomatische Waffe hat er aber nicht legal besessen“, sagt Jan Holzner von der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Woher sie stammt, gehört zu den weiteren Ermittlungen.

Diese Schusswaffe hatte der 67-Jährige in der Hand, als er ins Haus eindrang. Am Tag nach der Bluttat bestätigt die Polizei, dass die Ehefrau des Anwalts dies gesehen und dann Alarm geschlagen hatte. Die 57-jährige Frau war noch zu Hause, als der Mann mit der Waffe in die Gerokstraße kam. Sie flüchtete ins Haus der Nachbarn und rief von dort aus die Polizei. Zu diesem Zeitpunkt, kurz nach 13 Uhr, soll im Untergeschoss des Hauses, in dem sich die Anwaltskanzlei des 75-jährigen Opfers befindet, bereits ein Schuss gefallen sein. Dies wird von den Ermittlern aber noch nicht bestätigt.

Die Polizeieinsatz hatte am Montag gut viereinhalb Stunden in Anspruch genommen. Dann, gegen 17.30 Uhr, drangen die Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) in das Gebäude ein. Zuvor hatten die Beamten die Umgebung abgesichert und sich über mögliche Zugänge, Verstecke und Fluchtmöglichkeiten im Haus und auf dem Gelände an der Gerokstraße vergewissert. Die Umgebung des Gebäudes hatte die Polizei beim Eintreffen des Sondereinsatzkommandos bereits großräumig abgesperrt.

Letztlich gab es aber nicht mehr viel zu tun, als die Spezialisten um 17.36 Uhr in das Haus gingen: Der Anwalt und sein Besucher waren bereits nicht mehr am Leben. Gestorben waren sie an jeweils einer Schussverletzung, wie die Obduktion der beiden Toten am Dienstag ergab.

Aufsehen erregte vor zehn Jahren ein Prozess, in dem der Anwalt als Opfer auftrat. Er hatte damals eine Affäre mit seiner drei Jahre älteren Schwiegermutter, die ihn bei einem Treffen schwer misshandelte. Sie musste dafür ins Gefängnis. Die Anklage hatte auf versuchten Totschlag gelautet. Verurteilt wurde die damals 69-jährige Frau wegen schwerer Körperverletzung.

In dem Verfahren gegen die Schwiegermutter kam damals auch zur Sprache, dass gegen den Mann früher in seiner Karriere ein Verfahren wegen der Anstiftung zum Meineid geführt worden war. Der Vorwurf lautete, er habe mit Zeugen vor anstehenden Gerichtsverfahren deren Aussagen durchgesprochen. Das Opfer genoss aber auch einiges Renommee: Andere Stimmen in Stuttgart sprechen auch von einem angesehenen Anwalt.