Der Ditzinger Gemeinderat hat den Bau einer Moschee gebilligt. Daraufhin gab es Kritik. Diese kontert die türkisch-islamische Gemeinde im Interview.

Die Moscheeräume sind zu klein und einer religiösen Stätte nicht würdig, darin sind sich türkisch-islamische Gemeinde und Stadträte einig. Daran geändert hat sich jedoch jahrelang nichts. Nun soll es einen Neubau geben. Ein Gespräch mit Gemeindevertretern über Politik, Parkplätze und Predigten in englischer Sprache.

 

Herr Öztürk, Herr Özdemir, Sie haben bereits Moscheeräume in der Stadt, was bedeutet eine eigene Moschee für Sie?

Öztürk: Sie ist für künftige Generationen. Die Räumlichkeiten, die wir zurzeit in der Gerlinger Straße haben, reichen nicht aus für die Zukunft. Es geht ja nicht nur um die Moschee. Es gibt Räume für Männer, Frauen und Jugendliche – und Räume für den Imam.

Warum benötigen Sie neben dem Gebetsraum plötzlich auch Sozialräume?

Özdemir: Alles, was wir tun, tun wir bisher im Gebetsraum. Der Imam unterrichtet dort die Kinder. Ideal wäre es, wenn man Tische und Stühle aufstellen könnte. Es gibt einen Teeraum für die Älteren, aber auch ein Treffpunkt für Jugendliche wäre gut. Playstation-Turniere oder Shisha rauchen – dafür gibt es keinen Platz. Klar könnten sie dafür ins Jugendhaus gehen. Es gibt aber auch religiöse Veranstaltungen nur für Jugendliche.

Die Stadträte stimmten für den Moscheebau. Sie waren einer der wenigen Zuhörer. Wie erlebten Sie die Diskussion

Özdemir: Es ging hin und her, vom Gebäude über die deutsche Geschichte bis zur Aussage „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ – da sind so viele Themen durcheinander gebracht worden und die Diskussion ging auseinander. Dabei ging es um eine Bauplatzvergabe. Das fand ich komisch.

Ditzinger blickt in andere Städte

Muslime unter sich – d as irritiert manch einen offenbar immer noch.

Özdemir: Wir schließen niem anden aus. Es ist ein muslimisches Gebäude, aber die Tür ist offen für jeden. Wir möchten unsere Religion ausleben, das geht nicht überall. Es soll auch einen Veranstaltungsraum geben, damit weiterhin zum Beispiel ein Experte zu religiösen oder sozialen Themen sprechen kann. Er soll aber auch mal eine Präsentation machen können. Was gut angenommen wurde, ist zum Beispiel die Veranstaltung „Essen im Islam“ mit einem islamischen Lebensmittelingenieur. Man muss wegen der Emulgatoren aufpassen: was ist halal – erlaubt, und was haram – verboten.

Es wird also nicht alles neu und anders. Im Gemeinderat gab es dennoch Grundsatzkritik, auch am Minarett.

Özdemir: Die Menschen sind offen für den Islam, aber man will ihn nicht vor Augen haben, sondern aus dem Sichtfeld. Ein Minarett sticht immer ins Auge. Eine Moschee soll aber nicht aussehen wie ein Bürokomplex, man soll sehen, dass es eine religiöse Stätte ist. Dazu gehören das Minarett und die Kuppel. In Pforzheim erkennt man auch sofort, dass es sich um eine Moschee handelt.

Öztürk: Es wird ja nicht nach außen zum Gebet aufgerufen, höchstens an Sonderfeiertagen, vielleicht ein-, zweimal im Jahr. Das machen andere deutsche Städte, wie zum Beispiel Köln, auch – das erwarten wir auch. Aber das werden wir mit der Stadt klären.

Özdemir: Es ist kein Muss, fünfmal am Tag durch den Lautsprecher zum Gebet aufzurufen. Das wollen wir nicht, da bekommt man Gegenwind, weil es die Menschen hier nicht wollen. Wir sind doch eine Gemeinschaft! Wenn es heißt, ihr könnt ein Minarett bauen, aber bitte ohne Muezzinruf, ist das ein Kompromiss, den wir eingehen können. Es wäre aber schön, es wäre ein Symbol, wenn man den Muezzinruf etwa am Tag der offenen Moschee hören könnte.

Baubeginn Ende des Jahres?

Eine andere Kritik: Zu wenig Parkplätze.

Özdemir: Aktuell kommen schon 200 Leute zum Freitagsgebet, sie parken am Bahnhof, vor der Türe – es gab bisher nie eine Beschwerde wegen Verkehrschaos. Ich kann mir schon vorstellen, dass am Anfang das Interesse groß ist, weil die Moschee neu ist. Aber wir gehen nicht davon aus, dass doppelt so viele kommen, nur weil es eine größere Moschee ist. Die Muslime, die hier herkommen, kennen wir. Sie sind aus Ditzingen, Gerlingen, Höfingen. Dass irgendwo andere Muslime schlummern, die sagen, da ist jetzt eine Moschee, jetzt gehen wir mal dort hin – das sehen wir nicht.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Austausch am Tag der offenen Moschee

Die CDU fordert, Parkplätze anzumieten. Haben Sie das überlegt?

Özdemir: Es werden nicht plötzlich 400 Leute sein. Laut Architekt können dort rein rechnerisch 470 Menschen beten, aber die Zahl der Parkplätze ist nach gesetzlichen Vorgaben berechnet. Wir sind zudem weiterhin nahe am Bahnhof. Beim Freitagsgebet von 12 bis 14 Uhr einen Parkplatz im Industriegebiet zu mieten, wäre aber eine Option, ehe wir Stress mit der Polizei bekommen. Gegenstimmen sind ja okay. Wichtig ist: Es wurde demokratisch für den Bau der Moschee gestimmt. Wenn jemand konkrete Kritik hat, wie die Parkplätze, dann bespricht man das, dafür gibt es Lösungen. Wichtig ist, dass wir mehr im Dialog sein müssen mit den Kritikern. Dass sie wissen, wer hier was macht, dann verschwinden die Fragezeichen im Kopf automatisch. Das muss man jetzt schon machen, aber auch in der Bauphase, wenn vielleicht weitere Kritik kommt.

Wann ist Baubeginn?

Öztürk: Das könnte Ende des Jahres sein. Die Bauzeit wird etwa zwei Jahre betragen. Wir warten nicht, bis wir die drei Millionen für den Bau zusammenhaben, wir bauen Schritt für Schritt. Wenn man zumindest dort beten kann, ziehen wir um, sodass die Stadt dann auch die Räumlichkeit haben kann. Ziel und Wunsch ist es, keinen Kredit aufzunehmen.

Schritt für Schritt? Dann bleibt die Moschee vielleicht im Rohbau stehen.

Öztürk: Ich kenne keine Moschee, die im Rohbau stehen geblieben ist. Es kann nur länger dauern, statt zwei vielleicht zweieinhalb oder drei Jahre.

Gehört der Islam zu Deutschland?

Vereinzelt war im Gemeinderat zu hören, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Was entgegnen Sie jenen?

Özdemir: Das ist so weit hergeholt. Wir leben hier, der Islam lebt in Deutschland. Das Freitagsgebet wird auf Deutsch übersetzt. Unser Imam predigt Türkisch, und weil es der Imam nicht kann, übersetzt ein Junge auf Deutsch. Denn Türkisch beherrschen hier nicht alle. Die Menschen, die hier beten, kommen auch zum Beispiel aus Pakistan und Syrien.

Die Moschee ist ein Treffpunkt auch für Flüchtlinge?

Öztürk: Auch, ja. Normalerweise sind es 50 bis 60 Leute, vor drei Jahren kamen plötzlich 150 Leute zum Fastenbrechen. Aber es wurden wieder weniger.

Özdemir: Die Moschee ist auch ein Treffpunkt für Flüchtlinge unter anderem aus Syrien. Aber sie ist ein Treffpunkt für Muslime ohne Trennung nach Staatsangehörigkeit.

Wird der Verein vom türkischen Staat finanziert?

Özdemir: Wir sind rechtlich ein deutscher, gemeinnütziger Verein. Einzige Einnahmequellen sind Ochsenfest, Kermes mit Kuchenverkauf und Spenden aus Deutschland. Das sind nicht nur zehn Euro oder 50. Ich überlege mir, mal nicht Urlaub in der Türkei zu machen, sondern das Geld zu spenden.

Öztürk: Man könnte eher erwarten, dass der deutsche Staat oder die Stadt uns als deutschen, sozialen Verein unterstützt. Wir haben keinen Kontakt zum türkischen Staat.

Können Sie sich erklären, dass immer wieder ein möglicher Bezug zu Erdogan hergestellt wird?

Öztürk: Das ist Politik, anders kann ich mir das nicht erklären.

Imame sind in der Türkei Beamte

Ärgert Sie das?

Özdemir: Es gibt nichts Habhaftes gegen uns, und der Erdogan-Bezug kommt gut an bei Kritikern. Wir haben nichts mit Politik zu tun, wir sind überparteilich. Hier geht es darum, dass wir unsere Religion lernen und unsere Gebete verrichten. Vielleicht kommt in der nächsten Legislaturperiode eine andere Partei an die türkische Regierung – die Ditib wird es weiterhin geben, unsere Moschee auch. Die einzige Verbindung ist, dass wir die verbeamteten Imame von der Türkei zugewiesen bekommen, sie sind von Ditib entsandt. Eigentlich wäre es sehr gut, dass ein Imam hier aufwächst und hier predigt.

Öztürk: Die gibt es, aber es sind zu wenige. Die Imame aus der Türkei sind wie die Lehrer Beamte. Einen Imam in Deutschland aufzubauen, damit er genug Geld bekommt und seine Familie ernähren kann, so ein Konzept gibt es von Ditib noch nicht. Das ist Zukunftsmusik. Ideal wäre es, wenn ein Imam von hier Deutsch und Türkisch predigt, vielleicht auch Englisch wegen der Flüchtlinge.

Özdemir: Ditib bietet bereits Jugendlichen, die hier geboren sind, an, für vier, fünf Jahre in die Türkei zu gehen und eine Ausbildung zum Imam zu machen. Dann kehren sie wieder zurück. Dieses Ausbildungsprogramm gibt es, aber es sind eben viel zu wenige. Es geht eben um Religion, die Jugendlichen wollen lieber Maschinenbau machen oder in die IT-Branche gehen.

Pläne für die Zukunft

Ein nicht verbeamteter Imam wäre vom Staat unabhängig.

Öztürk: Uns werden die vom Staat geprüften Imame geschickt, ansonsten müsste man recherchieren, wer freischaffender Imam ist. Wo soll man das machen – bei Stepstone? Der Ditzinger Imam ist jetzt dreieinhalb Jahre hier. Die Imame kommen für fünf Jahre, dann gehen sie zurück. Sie kommen mit der Familie, die Kinder besuchen hier die Schule.

Das ist kurz. Evangelische Pfarrer etwa sind in der Regel länger an einem Ort.

Öztürk: Kommen sie aus dem Ausland? Nein. Für die Imame ist hier aber Ausland, die Kinder gehen hier in die Schule, man muss Respekt haben für ihre Entscheidung.

Gehört der Islam zu Deutschland? Auch darüber sprach der Gemeinderat. Irritiert Sie diese Frage?

Özdemir: Mich ja, jeder vierte in Deutschland hat Migrationshintergrund. Es gibt viele Türken, die hier leben, religiös sind, die Konfession Islam haben. Ich etwa habe hier alles erlebt, arbeite hier, habe Kinder – ich bin ein Teil von Deutschland. Wenn man sagt, der Islam gehöre nicht dazu, hat das nichts mit der Realität zu tun, da ist Hass dahinter.

Von Hass war im Ditzinger Gemeinderat aber nichts zu spüren.

Özdemir: Die Fragen im Gemeinderat kamen von jenen, die nie mit uns Kontakt hatten, sondern vielleicht nur negative Schlagzeilen über den Islam in den Medien gesehen oder gehört haben. Ob die Berichterstattung richtig ist, wird nie recherchiert. Man nimmt es kurz wahr und so bleibt ein schlechtes Bild im Kopf. So entsteht Angst. Nach der Gemeinderatssitzung wissen wir, dass wir die Menschen einladen müssen, um über den Islam zu berichten; dass sie erzählen, was für ein Bild sie von uns haben und wir erzählen, was wir hier machen. Die Leute kennen uns nicht, das ist das Problem.

An der Spitze der Gemeinde

Die Personen
 Hasan Öztürk ist seit 14 Jahren selbstständiger Unternehmer, seit vier Jahren in Murr, davor in Hirschlanden. Der 46-Jährige ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Seine Mutter und er folgten dem Vater 1991 nach Deutschland. Erol Özdemir wurde in Bietigheim geboren, lebt in Ludwigsburg, ist Vater von drei Kindern und arbeitet in der IT-Branche.

Die Gemeinde
 Die türkisch-islamische Gemeinde besteht seit 1994. Sie ist dem Ditib-Dachverband in Köln angeschlossen und hat 210 Mitglieder.