Die Musikschule Hoffnungsland in Stuttgart-Süd setzt seit 20 Jahren neue Akzente mit Veeh-Harfe und Gemeinschaftsgefühl. Alles, was das Erlenen eines Instruments schwer macht, fehlt bei dieser besonderen Harfe.

Stuttgart-Süd - „Bunt sind schon die Wälder” stimmt der Kurs der Evangelischen Musikschule Hoffnungsland gerade an – zum allerersten Mal überhaupt. Es klingt erwartungsgemäß recht holprig. Dann aber zählt Musikschullehrerin Gaby Neumann den Takt vor, bis ihre Schülerinnen – es sind ausschließlich Frauen, die sich für diesen Kurs angemeldet haben – ein Gefühl dafür bekommen haben. Beim zweiten Durchgang geht es dann schon viel besser und beim dritten Mal könnte man glatt mitsingen.

 

Keine Vorkenntnisse, kein Notenlesen, kein stundenlanges Üben

Das Geheimnis der Veeh-Harfen ist das spezielle Notenblatt, das unter die Saiten des Instruments geschoben wird: Die Melodie spielt man dann quasi „der Spur nach”. Einzig in den Rhythmus muss man sich zunächst einhören, der Rest ist völlig problemlos. Zurück geht dieses Prinzip auf den Landwirt Herrmann Veeh (1935-2020), der es für seinen mit Downsyndrom geborenen Sohn Andreas entwickelt hatte. Vorkenntnisse, Notenlesen, stundenlanges Üben – all das, was das Erlernen eines Instrument normalerweise ausmacht, entfällt hier.

Das macht die Tischharfe – dazu zählen die Veeh-Harfe und die fast baugleichen Instrumente, die zum Beispiel unter dem Namen „Zauberharfe“ angeboten werden – auch zu einem idealen Instrument für die Musiktherapie und die Musikgeragogik, also für das Musizieren für Senioren.

Sein eigenes Instrument aus einem Bausatz fertigen

Auch, weil der Leistungsgedanke in den Hintergrund tritt und der erklärte Schwerpunkt wie beim Chorgesang auf dem Gemeinschaftserlebnis Musik liegt. Gaby Neumann, Musikreferentin und Musikgeragogin an der Musikschule Hoffnungsland erläutert, dass man die Angebote rund um die Tischharfe oder Veeh-Harfe weiter ausbauen möchte. Und auch die Gründung eines Ensembles für öffentliche Auftritte möchte man nach dem Ende der Coronapandemie ins Auge fassen.

Es ist dabei auch der Gemeindemusikschule Hoffnungsland mit zu verdanken, dass Tischharfen mit ihrem betörenden Klang so einen großen Zuspruch erfahren. Am Standort Stuttgart etwa wird nicht nur das Musizieren in der Gruppe für Anfänger und Fortgeschrittene angeboten, sondern es gibt auch Kurse, bei denen die Teilnehmer dazu ausgebildet werden, zu Multiplikatoren zu werden und ihrerseits anderen das Tischharfen-Spiel zu vermitteln. Und wer es ganz individuell mag oder aber Geld sparen möchte, kann in einem anderen Kursangebot sogar sein eigenes Instrument aus einem Bausatz selbst fertigen.

Gemeindearbeit und Musikschularbeit miteinander verbinden

Was macht eine Gemeindemusikschule aus? Ziel ist nicht vorrangig, bei Wettbewerben besonders hoch abzuschneiden, vielmehr geht es darum, Gemeindearbeit und Musikschularbeit miteinander zu verbinden. Gerade konnte man das 20-jährige Bestehen begehen, auch am Stuttgarter Standort: Gegründet wurden die Gemeindemusikschulen 2001 im Evangelischen Gemeinschaftsverband Apis, seit 2019 arbeitet man unter der Trägerschaft des christlichen Bildungs- und Sozialwerks Aktion Hoffnungsland gGmbH, das auch Einrichtungen im Bereich der Kinder-, Jugend- und Behindertenarbeit betreibt, sowie das Hoffnungshaus im Stuttgarter Rotlichtviertel.

Aktuell werden in den Gemeindemusikschulen an 25 Standorten über 7000 Schülerinnen und Schüler von rund 80 Lehrkräften unterrichtet. Und es gibt insgesamt 20 Tischharfen-Gruppen. In der Gruppe in der Furtbachstraße spielt man „Bunt sind schon die Wälder“ inzwischen, als ob man nie etwas anderes gemacht hätte: Voller Freude am gemeinsamen Musizieren und getragen vom Wir-Gefühl. „Wir haben in unseren Ensembles auch einige Frauen, die verwitwet sind oder sonst einen schweren Schlag haben verkraften müssen“, erklärt Leiterin Elisabeth Binder. Hier sind die wöchentlichen Treffen gleichermaßen Abwechslung und Pause vom Alltag. Ganz davon zu schweigen, dass es einfach wohltuend ist, gemeinsam mit anderen eine Melodie erstehen zu lassen.