Hunderte Prediger kommen jedes Jahr aus dem Ausland hierher. Künftig sollen die Gelehrten auch in Deutschland ausgebildet werden.

Stuttgart - Essen verbindet. Die Imame machen Frühstückspause. Es gibt Fladenbrot, Schafskäse, Oliven und Schwarztee in tulpenförmigen Gläsern. Die knapp zwanzig Männer, die sich um den Tisch in einem der Unterrichtsräume der Stuttgarter Ditib-Moschee in Feuerbach niedergelassen haben, greifen mit Appetit zu. Nicht nur Essen, auch gemeinsames Lernen verbindet. Die Imame kommen aus unterschiedlichen Moscheegemeinden: türkische, albanische, bosnische. Manche fahren quer durch Baden-Württemberg, nur um an dem Deutschkurs teilnehmen zu können, den das Goethe-Institut mit Unterstützung der Robert Bosch Stiftung anbietet. Die Männer, allesamt in den besten Jahren, sind engagiert dabei. Wieso er hier sitze? "Ich lebe in Deutschland", antwortet Redzep Sulejmani, Imam an der Moschee des Islamischen Zentrums für Albaner in Stuttgart Feuerbach, "aber ohne Sprache ist man tot."

Nur das Deutsch lief zunächst nebenher


Der Theologe, der in Jordanien studierte und bis 2000 in Mazedonien tätig war, bevor er nach Stuttgart umgezogen ist, beherrscht viele Sprachen: Albanisch, Mazedonisch, Bosnisch beziehungsweise Serbokroatisch und natürlich Arabisch – die Sprache des Korans. Nur das Deutsche lief zunächst nebenher. Geld für eine Sprachschule gab es in seiner Gemeinde nicht, und ohnehin war die Zeit knapp. Der Arbeitstag eines Imams ist dicht getaktet: Gebetszeiten, Predigten, Korankurse, Jugendarbeit, Seelsorge. "Den ganzen Tag über", bilanziert Sulejmani, "haben wir Kontakt zu unseren eigenen Leuten."

Yunus Tekin nickt. Der türkische Imam kannte den Kollegen vor dem Kurs nicht, aber nur allzu gut kennt er dessen Aufgaben und auch dessen Hoffnung, mit fundierten Sprachkenntnissen im deutschen Alltag besser zu bestehen. Seit vier Jahren ist Tekin, Absolvent der Theologischen Fakultät der Universität Ankara, Imam an der Kornwestheimer Ditib-Moschee. Noch ein Jahr kann er bleiben, dann wird ihn sein oberster Dienstherr, das Amt für Religiöse Angelegenheiten in der Türkei (Diyanet), aller Voraussicht nach wieder abziehen. Dennoch will Tekin für dieses eine Jahr gerüstet sein, schon sprachlich. Der dreimonatige Deutschkurs, den er in der Türkei absolviert hatte, kombiniert mit dem Selbsterlernten reicht ihm nicht aus. "Wir haben viele Besucher in unserer Moschee", sagt er. Ihnen möchte er bei seinen Führungen auf Augenhöhe begegnen.

Integration beginnt im Lokalen


Viermal die Woche beugen sich Tekin, Sulejmani und Kollegen über Schulbücher. Vor der Frühstückspause haben sie geübt, E-Mails zu formulieren, korrekte Anrede inklusive. Gelernt werden Grammatik, Vokabeln, Redewendungen. Am Ende steht eine Prüfung mit anerkanntem Zertifikat. Der Unterricht vermittelt noch mehr: Wie nebenher hören die Imame von Land und Leuten, vom politischen System und seinen Strukturen. Das ist eine "Einführung in unsere Gesellschaft", fasst Barbara Malchow-Tayebi, die Leiterin des zuständigen Goethe-Instituts in Schwäbisch Hall, die Zielsetzung des maßgeschneiderten Lehrprogramms für Imame zusammen. Manches hören sie aus erster Hand: Referenten kommunaler Institutionen kommen zu Besuch, um von ihrer Aufgaben zu berichten. Anderes erarbeiten sich die Männer selbst: etwa den Austausch über ihr Rollenverständnis auf deutscher Sprache.

Das Kursangebot, gestartet 2009, ist noch neu. Und schon stehen die Zeichen auf Ausbau. Das Goethe-Institut arbeitet mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an einem Angebot für ganz Deutschland. Erste kommunale Initiativen flankieren die Fortbildungsoffensive. Der Islamwissenschaftler Abdelmalik Hibaoui hat selbst einmal als Imam in Deutschland gearbeitet. Heute sitzt er im Stuttgarter Tagblattturm mit Blick auf das Rathaus und koordiniert dort für die Stabsabteilung für Integrationspolitik der Landeshauptstadt ein Pionierprojekt: die Kooperation mit sechs islamischen Gemeinden. Ziel ist deren interkulturelle Öffnung.