Ulm feiert 125 Jahr Münster. Das Programm läuft schon, Höhepunkt ist der 30. Mai. Doch die hochtrabenden Pläne müssen jetzt geändert werden. Statt einem eigens komponierten Oratorium gibt es jetzt Hausmusik.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Was übrig ist von den im vergangenen Jahr noch so guten Beziehungen zwischen dem zypriotischen Komponisten Marios Joannou Elia und der Ulmer Rathausverwaltung? Der Oberbürgermeister Ivo Gönner (SPD) hat dazu in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Montag – der inzwischen dritten zur 125-Jahr-Feier des Münsters – eine zutiefst sarkastische Beschreibung geliefert: „Wir gehen professionell miteinander um.“

 

Womöglich ist damit gemeint, dass nunmehr die Anwälte sprechen. Die Stadtverwaltung hat den Vertrag mit dem Komponisten über die Anlieferung eines „Ulmer Oratoriums“ nämlich in der vorvergangenen Woche gekündigt. Zum 31. Januar hätte die fertige Partitur vorliegen sollen, sechs Wochen später seien immer noch vier von acht Szenen säumig gewesen, so die Begründung. Kaum war die Nachricht von der Kündigung öffentlich gemacht worden, wehrte sich der Komponist per Mail von der zyprischen Stadt Paphos aus, wo er seit Monaten als künstlerischer Leiter der Europäischen Kulturhauptstadt 2017 arbeitet. Just am Tag der Kündigung durch die Stadt, so Elia, sei sein Oratorium fertig geworden. Es sei „nicht ehrlich und nicht professionell, wie im Zusammenhang mit der Absage agiert wurde“.

Höhepunkt ist am 30. Mai

Schon seit Jahresbeginn läuft das Festprogramm zur Fertigstellung des Ulmer Münsters vor 125 Jahren. Höhepunkt ist der 30. Mai. An jenem Tag im Jahr 1890 ist der Hauptturm mit dem Aufsetzen der Kreuzblume fertiggestellt worden, das Münster maß nun 161,53 Meter und besaß damit den höchsten Kirchturm der Welt. 1,8 Millionen Euro hat der Ulmer Gemeinderat für das Rahmenprogramm locker gemacht, rund 500 000 Euro – angeblich waren 30 000 Euro davon Komponistenhonorar – waren allein für das Oratorium bestimmt. 500 Mitwirkende, fast alle verschiedenen Ulmer Chören und Orchestern angehörend, sollten das Werk am Münsterplatz auf die Bühne bringen.

Der Zeitplan für die Werkvertonung war eng und damit gefährlich. Der Komponist hätte erkranken können. Er hätte theoretisch durch einen Unfall zurückgeworfen werden können. Dass die Arbeit dann einfach erheblich langsamer voran ging als gedacht, war ein weiteres Risiko, das vom Ulmer Kulturmanagement offenbar eingegangen wurde. Der OB Gönner bestätigte am Montag: „Es war volles Risiko. Es war alles oder nichts.“

Der Unmut war stetig gewachsen

Den mitschwingenden Vorwurf vom schlamperten Genie, das nicht in der Lage ist, einen Vertrag einzuhalten, wies Elia entschieden zurück. Ihm sei das Libretto für sein Werk erst mit zweimonatiger Verspätung geschickt worden. Ständig sei er gezwungen gewesen, Nachfragen aus Ulm per E-Mail zu beantworten und Erklärungen zu liefern, weil ein professioneller Projektleiter gefehlt habe. Dann, im Januar, habe der Münsterkantor Friedemann Wieland in die Komposition eingegriffen und Änderungen gefordert. Wenn alle gewollt hätten, so der Komponist, hätte es aber noch klappen können mit der Aufführung.

Doch offenbar hatte sich schon länger der Unmut gegen die ersten gelieferten Partituren verdichtet. Münsterkantor Wieland sagte in der „Südwest Presse“, das angelieferte Material sei „so nicht verwendbar“ gewesen. Josef Christ, Dirigent der Jungen Bläser Philharmonie Ulm, sprach von „reichlich Korrekturbedarf“, um die anspruchsvollen Notensätze für ein Jugendorchester spielbar zu machen.

Wieland ist gestern ebenfalls Teilnehmer des Pressegesprächs im Rathaus gewesen, auf die Frage, ob das Oratorium denn inzwischen vollständig vorläge, antwortete er: „Ich bin heute hierher gekommen, um über das ,Klangfest’ zu reden.“

Bühnentechnik ist längst bestellt

„Klangfest@125“, so heißt das Ersatzkonzert, das der Münsterkantor gemeinsam mit dem Ulmer Operndirektor Matthias Kaiser aus dem Boden gestampft hat. Es soll von 400 Musikern der Bläserphilharmonie, des Kinder- und Jugendchors Ulmer Spatzen, des Motettenchors, Kinderchören der Münsterkantorei, des Oratorienchors Ulm, des Philharmonischen Orchesters der Stadt und des Opernchors aufgeführt werden. Genutzt wird die fürs Oratorium gedachte und längst bestellte Bühnentechnik.

Das passende Notenmaterial ist nunmehr dem Kanon klassischer Musik entnommen: Mendelssohn-Bartholdy, Orff, Ives, oder Rautavaara. Es handle sich, so Operndirektor Kaiser, um eine „im wesentlichen emotionale Dramaturgie“. „Idealerweise“ komme das Konzert „ohne Applaus dazwischen“ aus.