Der Gemeinderat hat beschlossen, Stuttgart zu einer „echten Fahrradstadt“ zu machen. Dabei geht es keineswegs um eine Entscheidung zwischen Fahrrad oder Auto. Aber was genau bedeutet diese Fahrradstadt nun?

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Fahrradfahren in Stuttgart. Das geht auf gar keinen Fall, davon sind durchaus einige Stuttgarter zutiefst überzeugt. Warum? Wegen der Topografie, der „Autostadt“ und natürlich wegen Daimler, Porsche und Co.. „Naja, wo doch Stuttgart seit Jahrzehnten durch die zigtausenden Arbeitsplätze in der Fahrradproduktion und den weltweiten Fahrradexport seinen Wohlstand gesichert hat“, schreibt ein User auf der Facebook- Seite unserer Zeitung. Oder „Wie das Vorbild Kopenhagen...stampfen wir doch kurz den Kessel ein“. Andere fragen sich deshalb auf der Plattform, ob „jetzt die Berge geschliffen“ werden, „auf dass es als Fahrradstadt so schön eben ist wie in Karlsruhe, München oder Münster?“

 

Der Grund für den Ärger: Der Gemeinderat hat am Donnerstag mehrheitlich beschlossen, „Stuttgart zu einer fahrradfreundlicheren Stadt zu machen“. Oberbürgermeister Fritz Kuhn hatte bereits Anfang dieser Woche in einer Beschlussvorlage die Ziele der Initiative Radentscheid aufgegriffen, nach denen Stuttgart eine „echte Fahrradstadt“ werden soll. Der ökosozialen Mehrheit im Gemeinderat ging das aber nicht weit genug, weshalb man letztlich in dem Gremium einem Ergänzungsantrag von Grünen, SPD, Stadtisten und der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus zustimmte.

Es geht nicht um die Wahl zwischen Fahrrad- oder Autostadt

Doch worum geht es nun genau bei dieser Fahrradstadt? Im Gegensatz zu allerlei kursierenden Befürchtungen, haben die vereinbarten Ziele bisher keineswegs mit einer Verdrängung der Autos aus der Stadt oder weiteren Fahrverboten zu tun. Vielmehr geht es darum, eine Radinfrastruktur zu schaffen, die „für alle von 8 bis 80 Jahren – für Eltern mit Kindern im Anhänger, aber auch für Kinder unter 8 Jahren, die auf dem Gehweh radeln oder für Senioren auf E-Dreirädern –“ bequem und sicher ist. Es wird niemand zum Radeln gezwungen.

Im Moment stellt sich also nicht die Frage, ob Fahrrad- oder Autostadt. Es geht darum, die Radinfrastruktur sicherer zu gestalten und auszubauen, für alle die, die gerne in der Landeshauptstadt mit dem Rad unterwegs sind. Und das werden, wie aktuelle Zahlen an den Messstellen zeigen, immer mehr. Und, natürlich geht es darum, die Stadt zu entlasten: „Radverkehr bringt einer Stadt große Vorteile. Er entlastet den Autoverkehr von Staus, den öffentlichen Nahverkehr von übervollen Bahnen, die Bürgerinnen und Bürger von Lärm und Abgasen, fördert die Gesundheit“, so begründen des die beteiligten Fraktionen in ihrem Antrag.

Der Radetat soll in den kommenden Jahren erhöht werden

Insgesamt sind es 18 Punkte, die dort aufgelistet sind. So ist das Ziel, bis zum Jahr 2030 den Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr„auf 25 Prozent der Wege“ zu erhöhen. Dafür wolle man aktuelle und künftige Projekte „den Qualitätsstandards im Sinne der Ziele des Radentscheids“ anpassen.

Dazu wollen die Fraktionen den Radetat erhöhen, mittelfristig auf 20 Euro pro Einwohner, langfristig auf 40 Euro pro Einwohner. Zusätzlich plant man, aus dem Jahresüberschuss von 2018 eine „zweckgebundene Rücklage für Radinfrastruktur“ in Höhe von 20 Millionen Euro zu bilden. In dem Antrag fordern die Fraktionen auch, endlich die geplanten Stellen für die am Radverkehr beteiligten Ämter, zum einen endlich überhaupt geschaffen zu schaffen und zum anderen ohne Befristung.

Bei der Liste geht es vornehmlich um den Ausbau der Infrastruktur

Auf der Liste steht auch der Ausbau des Hauptradroutennetzes. Dieses soll ebenfalls bis 2030 fertig sein. Das Radroutennetz in den Stadtbezirken wird ausgebaut, in allen Stadtvierteln soll mindestens eine Neben- zur Fahrradstraße werden. Am Herzen lag den Radlern vor allem auch die sichere Gestaltung von großen Kreuzungen, da dort oft unübersichtliche Situationen entstehen. Eine Internetplattform weist auf störende oder gefährliche Stellen hin.

Geplant sind neue Abstellanlagen für Räder, die vor Wetter und Vandalismus schützen. Ordnungskräfte sollen dafür sensibilisiert werden, Radverkehrsanlagen, Gehwege und Straßenecken wirkungsvoll und nachhaltig freizuhalten. Auch dabei geht es ausdrücklich um „Falschparker“. Zuletzt soll es zweimal im Jahr im Unterausschuss für Mobilität schwerpunktmäßig um den Radverkehr gehen.