Der 36 Jahre alte Tennisspieler denkt nach seinem Erfolg bei den US Open noch lange nicht ans Aufhören.

Daniil Medwedew (27) hatte gerade seine Trophäe als tapferer Zweitplatzierter der US Open in Empfang genommen, da hatte der kauzige Moskowiter eine Frage an den Champion Novak Djokovic. „Warum bist du eigentlich immer noch hier?“, rief Medwedew am Sonntagabend in der Arthur Ashe Arena ins Mikrofon.

 

Es war natürlich eine Scherz- und Scheinfrage. Denn die Antwort hatten Medwedew und der Rest der Tenniswelt zuvor bekommen, über drei Stunden und 16 Minuten des Finales. Djokovic mag zwar 36 Jahre alt sein und schon zwei Jahrzehnte in der Tretmühle der Tour umhergezogen sein, aber von seiner furchterregenden Statur hat der Musterathlet und Perfektionist nichts eingebüßt.

Keiner hat mehr Major-Titel

„Ich denke nicht daran zu verschwinden. Warum sollte ich aufhören, wenn ich so gutes Tennis spiele“, sagte der Serbe nach dem 6:3, 7:6 (7:5), 6:3-Erfolg über Medwedew, mit dem er aufs Neue die Rekordbücher seines Sports umschrieb. Keiner und keine hat nun mehr Grand-Slam-Titel in der modernen Tennisära gewonnen, mehr als die 24 Majorpokale, die der Djoker in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York aufsammelte. Noch ein weiterer Grand-Slam-Titel und Djokovic hätte auch die Australierin Margaret Court-Smith (ebenfalls 24 Siege) hinter sich gelassen, wäre dann der alleinige Spitzenreiter aller Zeiten.

Auf einige weitere Jahre mit dem Partyschreck, der inzwischen schon 390 Wochen die Weltrangliste anführte, können sich die lieben Verfolger durchaus einstellen. Nach dem vierten Finalsieg im Big Apple sagte Djokovics Coach Goran Ivanisevic, sein Chef habe durchaus die Absicht, noch 2028 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles anzutreten, dann mit 41 Jahren. Novak Djokovic sei alles andere als müde, „er ist versessen darauf, weitere große Siege zu feiern. Er will immer noch jeden Tag besser werden, rund um die Uhr, 24 Stunden lang“.

Als Djokovic in der größten Tennisarena der Welt Familie und Freunde in die Arme geschlossen hatte, war eine Grand-Slam-Saison vorüber, die fast ganz im Zeichen des Rekordmannes gestanden hatte. 27 von 28 Grand-Slam-Matches gewann er, holte die Pokale in Melbourne, Paris und New York. Und scheiterte nur knapp im Fünf-Satz-Drama von Wimbledon am jungen Spanier Carlos Alcaraz.

Typisch Djokovic: Als viele glaubten, damit könne die Wachablösung in der Weltspitze vollzogen sein, schlug er zurück. „Nach Wimbledon haben wir überhaupt nicht zurückgeblickt, nicht gejammert und geklagt“, sagte Trainer Ivanisevic, „der Fokus ging wieder nach vorn. Zu den US Open. Zur Frage, wie wir dort gewinnen werden.“

Erinnerung an Bryant

Djokovic zog in der Nacht seines neuesten Grand-Slam-Sieges ein T-Shirt hervor, das ein Foto von ihm und dem tödlich verunglückten US-Basketball-Superstar Kobe Bryant zeigte – mit Bryants Trikotzahl 24 und dem Aufdruck „Mamba Forever“. Bryant sei ein Mentor für ihn gewesen, sagte Djokovic, auch ein Vorbild mit seiner Geschmeidigkeit, seiner Gewandtheit, seiner Giftigkeit im Wettkampf: „Er war auch nie zufrieden, wollte immer weiter in seiner Karriere.“

Ob es ihn überrasche, nach all den Jahren immer noch das Maß aller Dinge im Tennis zu sein, wurde Djokovic auch gefragt. „Nein“, sagte er, „ich weiß, was ich alles tue, um vorne zu sein. Und zu bleiben. Ich spiele so gut wie in meinen besten Jahren, früher in der Karriere.“ Er habe absolut Spaß daran, sich jeden Tag mit den jüngeren Burschen zu messen, so Djokovic, „ich gebe keinen Millimeter freiwillig her“.