Für viele Passanten gehörte er zur Königstraße wie der Stern zum Bahnhofsturm: Walentin Hölscher, der 1980 den Crêpes-Stand an der Rolltreppe zur Klett-Passage eröffnet hat, ist im Alter von 84 Jahren gestorben. Erinnerungen an ein Original der Stadt.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Als „Crêpes-König von Stuttgart“ ist er gefeiert worden. Sehr viel hat sich mitten in der Stadt im Laufe der Jahre geändert – der Stand von Heinrich Hölscher, den man Walentin nannte, war stets die Konstante in der Hektik der Einkaufsmeile. Dass der bretonische Eierkuchen bei den schwäbischen Maultaschen- und Pfannkuchen-Liebhabern Karriere gemacht hat, ist mit ein Verdienst des Franzosenfans, der im Périgord ein Haus besaß und seine Liebe für süße oder salzige Versionen der runden Teigfladen immer weiter entwickelte.

 

Die ersten Crêpes seines Lebens hat der 1937 geborene Hölscher seinen Kinder auf einem Campingplatz zubereitet. Die waren von den Eierkuchen so begeistert, dass sich der Vater eine billige Pfanne kaufte und darin auf dem Campingkocher seine ersten Exemplare buk. Die Idee entstand, damit noch mehr Menschen in Stuttgart zu begeistern. Marke Eigenbau war der Stand, für den es einen exponierten Platz gab – mit dem Rücken zum Hauptbahnhof. Damals gab es in der Fußgängerzone nur noch das Brezelkörble, aber keine Fast-Food-Burgerketten.

Die Hartnäckigkeit zahlte sich aus

Am 1. März 1980 begann die Erfolgsgeschichte. Mit Sonja Specht eröffnete er den Crêpes-Stand aus Mahagoniwänden, einem Kupferdach und Kristallglasfenstern. Sollte die Zeit dieses Genussortes wirklich mal vorbei sein, was sich keiner von den vielen Fans vorstellen kann, müsste der Stand ganz dringend ins Stadtpalais, ins Stuttgart-Museum.

Schon immer hat Walentin Höscher gern mit Rezepten experimentiert. Bessere Crêpes habe er nur einmal in seinem Leben gefunden, erzählt der Gastronom einmal – nämlich in Frankreich, auf dem Wochenmarkt einer Stadt im Périgord, wo der Gastronom in den 1990ern ein Haus hatte. Jedes Mal, wenn er dort war, aß er eine Crêpe – und versuchte, der Crêpebäckerin ihr Rezept zu entlocken. Das sei geheim, sagte sie. Aber seine Hartnäckigkeit lohnte sich: Schließlich durfte er auf eines der Pergamentpapiere, auf denen die Crêpes gereicht werden, das Rezept schreiben. „Es war tupfengleich sowie meins“, erinnerte sich Hölscher. Aber warum dachte er, dass die Crêpe der Dame besser schmeckte? Vielleicht lag es an der französischen Luft.

Viele Gäste sind mit dem Stand alt geworden

Eine Goldgrube sei der kleine Stand an der unteren Königstraße nie gewesen, sagte der Chef, der zum Stadtoriginal geworden ist, der nicht nur fürs Essen zuständig war, sondern auch zu Gesprächen aller Art bereitstand und oft Lebenshilfe geleistet hat. Die Gäste sind mit dem Stand alt geworden, aber auch viele Neueinsteiger kamen hinzu. Karin Herrmann, die seit 2015 Teilhaberin ist, führt den Stand weiter mit der Erbin Britt Höscher, beide sind zu 50 Prozent beteiligt. Es werden also weiterhin Crêpes serviert, die so sind wie das Leben: mal süß, mal salzig.