Der Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) sieht sich auf einem guten Weg aus der Krise. Ende nächsten Jahres könnten die Fahrgastzahlen wieder wie vor der Pandemie sein – und damit früher als bisher prognostiziert.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

238 Millionen Fahrten haben Passagiere in den ersten neun Monaten des Jahres im Netz des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS) absolviert. Noch sei man nicht wieder auf dem Niveau des Jahres 2019, dem letzten vor Ausbruch der Coronapandemie, aber auf gutem Weg zurück zu alten Zahlen. „Wir hoffen, dass wir Ende 2023 wieder auf dem Niveau von 2019 sind“, sagt VVS-Geschäftsführer Horst Stammler. Frühere Prognosen, wonach sich die Erholung der Fahrgastzahlen bis 2024 hinziehen könnte, wären damit überholt.

 

35 Prozent mehr Passagiere als im Vorjahr

Stammler stützt seinen Optimismus auf den Zuspruch der Fahrgäste, den der VVS bis September verzeichnet hat. Die 238 Millionen Fahrten, die es in den ersten drei Quartalen 2022 im Tarifgebiet gegeben hat, stellen ein Plus von 35,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr dar. Man liege noch 17 Prozent unter den Werten, die der VVS vor der Pandemie verzeichnete. Ehe Corona für einen Dämpfer sorgte, kannten die Nutzerzahlen bei Bus und Bahn nur eine Richtung: aufwärts. 2019 registrierte der Verbund 394 Millionen Fahrten, 2020 ging dieser Wert auf 240 Millionen zurück, 2021 waren es 261 Millionen. Eine Marke, die man dieses Jahr auf alle Fälle erreichen werde, prognostiziert Stammler.

Sein Amtskollege Thomas Hachenberger verweist darauf, dass der VVS in den drei Monaten, in denen das 9-Euro-Ticket galt, bereits wieder über den guten Zahlen von 2019 gelegen hat. „Das Ticket hat dazu geführt, dass sich die Leute wieder in die öffentlichen Verkehrsmittel getraut haben“, sagt er. Dass die Nutzerzahlen nach Auslaufen des Angebots Ende August über denen von vor dem Aktionszeitraum liegen, nimmt Hachenberger als Indiz dafür, dass das vergünstigte Angebot auch neue Kunden für Bus und Bahn erschlossen hat. Zugleich weist er darauf hin, dass durch die Rabattaktion nicht nur die Kapazitäten in den Verkehrsmitteln an Grenzen gestoßen seien. „Auch viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verkehrsbetrieben sind an ihre Belastungsgrenze gekommen.“

Offene Fragen beim Deutschlandticket

Hachenberger und Stammler betonen unisono, dass die Einführung des Deutschlandtickets zum Preis von 49 Euro pro Monat zum 1. April 2023 nicht an den Verbünden scheitern wird. „Wir schaffen das“, sagt Stammler. Gleichwohl nehmen die beiden VVS-Geschäftsführer die Politik in die Pflicht, weiter offene Fragen zu klären. Dabei geht es nicht nur, aber eben auch ums Geld. Der Bund und die Länder haben sich verpflichtet, jährlich 1,5 Milliarden Euro für das Deutschlandticket aufzuwenden. Offen ist die Frage, was passiert, wenn dies nicht ausreicht. Die sogenannte Nachschusspflicht dürfe nicht an den Verbünden und den sie tragenden Städten und Landkreisen hängenbleiben. Hachenberger weist zudem darauf hin, dass mit dem 49-Euro-Ticket, das zu bundesweiten Fahrten im Nahverkehr berechtigt, Verkehrsunternehmen trotz Ausbau ihrer Verkehrsleistungen keine Mehreinnahmen mehr generieren könnten. Und auch die steigenden Preise für die Energie, ohne die sich kein Bus und keine Bahn bewegen, machen Hachenberger Sorgen.

Bereits zum 1. März wird das Jugendticket Baden-Württemberg eingeführt. Für 365 Euro im Jahr gibt es für Menschen bis 21 Jahren freie Fahrt im Land. Wer sich in Ausbildung oder Studium befindet, kann das Angebot bis zum 27. Lebensjahr nutzen. „Das betrifft 40 Prozent der aktuellen VVS-Kundschaft“, sagt Stammler. Wenn man noch das Deutschlandticket dazu nimmt, dürften 75 Prozent der VVS-Kunden neue Tarifformen wählen. Gleichwohl warnen die Geschäftsführer vor übertriebener Eile beim Überarbeiten der Preistabellen. Man werde den Markt einige Monate beobachten. „Und mit den dabei gewonnenen Erkenntnissen gehen wir dann im Herbst 2023 mit unseren Gesellschaftern und der Politik in ein großes Tarifsymposium“, kündigt Stammler an.