Verkehrsverbände im Südwesten rechnen wegen des Neun-Euro-Tickets mit einer Überlastung touristischer Linien. In Freiburg werden derweil schon solche Tickets verkauft. Der Andrang ist groß.

Freiburg ist Vorreiter: Es war am Dienstagmorgen ein Andrang bei der Freiburger Verkehrs AG, wie er sonst nur am Monatsende zu sehen ist. Dort sind die ersten Neun-Euro-Tickets fürs Reisen mit dem ÖPNV verkauft worden, obwohl der Bundestag das passende Gesetz hierzu erst am 20. Mai beschließen will. In den Monaten Juni, Juli und August will der Bund als Teil des Entlastungspakets für die Bürger wegen der hohen Energiepreise das bundesweite Fahren mit Bussen und Zügen des ÖPNV zum Discountpreis ermöglichen.

 

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Bei schönem Wetter erwarten diejenigen der 21 Verkehrsverbünde im Land, die touristisch von Interesse sind, wegen des Neun-Euro-Tickets ein hohes Aufkommen auf beliebten Strecken, sagte Ulrich Weber, Geschäftsführer des Verbandes der Verkehrsunternehmen in Baden-Württemberg: „Es wird Überfüllungen geben. Zugleich muss man bedenken, dass die Fahrgastzahlen zum Teil noch 20 bis 30 Prozent unter dem Niveau liegen, das wir vor der Coronapandemie hatten.“ Für einzelne Strecken kurzfristig die Kapazität zu erhöhen, das sei auch „nicht so leicht“, man brauche einen Vorlauf von bis zu drei Monaten.

Trifft das Geld pünktlich ein?

Bei den Verkehrsverbänden sieht man die Lage ähnlich: Egal, ob Bodensee oder Sylt, so Dorothee Koch, Geschäftsführerin beim Regio-Verkehrsverbund Freiburg (RVF), in Ferienzeiten und bei Sonnenschein habe man ein erhöhtes Fahrgastaufkommen. „Wir haben da immer noch etwas Luft nach oben, aber es kann mit dem Neun-Euro-Ticket durchaus Engpässe geben“, so Koch. Betroffen seien von Freiburg aus vor allem Linien in den Schwarzwald und den Kaiserstuhl. „Wir erwarten aber nicht, dass da ein Chaos ausbricht.“ Dorothee Koch treibt eine ganz andere Sorge um: Dass das Geld für das Neun-Euro-Ticket – über Bund, Land und Verkehrsverbünde an die Verkehrsunternehmen – auch wirklich pünktlich eintrifft.

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Jürgen Löffler vom Bodensee-Oberschwaben-Verkehrsverbund sagt, dass man im engen Kontakt mit den Verkehrsunternehmen stehe und „zeitnah auf Nachfragespitzen und Kapazitätsengpässe“ reagieren könne. Vor allem die Strecken zum Bodensee – etwa die Südbahn – oder die Busse zwischen Friedrichshafen und Überlingen könnten vom Andrang betroffen sein. Löffler lobt das Neun-Euro-Ticket, da es die Chance biete „wieder mehr Menschen für Bus und Bahn zu begeistern“. Den Anschub brauche man nach der Pandemiephase. „Dennoch: Mit dem Geld, das in dieses Neun-Euro-Ticket gesteckt wird, hätten wir auch nachhaltigere Tarifangebote lancieren können.“

Eine Fahrzeugreserve ist vorhanden

Die Verkehrsunternehmen sind eher skeptisch, ob sie rasch Kapazitäten erhöhen können, allerdings seien „punktuelle Verstärkungen an den Wochenenden“ möglich, heißt es bei der SWEG-Bahn-Gesellschaft. Man habe für das Stuttgarter Netz Neckartal eine Fahrzeugreserve, aber die sei begrenzt und werde gebraucht, um die Wartung der Gesamtflotte zu sichern und Ausfälle von Fahrzeugen abzufedern. Optimistisch äußert sich eine Sprecherin der Deutschen Bahn: Im Sommer gebe es mehr Ausflugs- und Urlaubsfahrten, aber die Zahl der Berufspendler nehme ja ab. Bundesweit habe man in den letzten zwei Jahren rund 700 neue und modernisierte Züge im Regionalverkehr aufs Gleis gesetzt: „Das ist ein Attraktivitätsschub für Bahn und ÖPNV – auch für den Zeitraum des Neun-Euro-Tickets.“

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