Beim ersten Nato-Ministertreffen nach dem Sturz von al-Gaddafi ist der Streit über den Libyeneinsatz der Allianz nur noch eine Randnotiz gewesen.

Brüssel - Beim ersten Nato-Ministertreffen nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi ist der Streit über den Libyeneinsatz der Allianz nur noch eine Randnotiz gewesen. Der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatte schon zum Auftakt Amerikanern, Briten und Franzosen zum Erfolg gratuliert. Und auch auf den Fluren sei "bis auf ein paar Sticheleien der Engländer gegenüber den Deutschen" kaum mehr etwas von der einstigen Verärgerung zu spüren, sagte ein Diplomat.

 

In einem Punkt wirkt die laut Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen "fast abgeschlossene" Mission aber weiter. Dabei geht es ums Geld. Denn aus der Operation Unified Protector wurde die Lehre gezogen, dass es bei Munitionierung, Betankung von Kampfjets und Schiffen sowie Zielaufklärung haperte - was teure Investionen nötig macht. "Der Einsatz hat Mängel bei den militärischen Fähigkeiten aufgezeigt", stellte der neue Pentagonchef Leon Panetta fest. Hinzu kommt, dass sich die Europäer in Zukunft nicht mehr darauf verlassen können, dass die Amerikaner die Lücken füllen. Der US-Verteidigungsetat wird Panetta zufolge in den nächsten zehn Jahren um 450 Milliarden Dollar gekürzt.

Liste mit 100 Projekten

Aus der Not soll nun eine Tugend gemacht werden. Die Militärs legten den Ministern eine Liste mit rund 100 Projekten und Aufgaben vor, die gemeinsam entwickelt oder bewältigt werden sollen. Darauf stehen Drohnen, Tankflugzeuge oder der Schutz vor Bomben am Straßenrand und Angriffen aus dem Internet. Beim Nato-Gipfel im Mai 2012 soll es konkret werden. Doch das wird schwierig, da sich die Minister selbst beim lang geplanten Gemeinschaftsprojekt AGS - ein Überwachungsflugkörper in 20 Kilometer Höhe - erneut nicht auf die Finanzierung einigen konnten. Geht es doch voran, wird das sicher zu kritischen Fragen im Bundestag führen, wer über den Einsatz gemeinsamer Waffensysteme oder Einheiten entscheidet.

Militärisch äußern muss sich der Bundestag als Nächstes zu Afghanistan, im Januar steht die Mandatsverlängerung an. Generalsekretär Rasmussen hält die Voraussetzungen für gegeben, am Abzug bis 2014 festzuhalten: "Dass den Taliban einige spektakuläre Anschläge gelungen sind, sollte nicht überdecken, dass deren Zahl rückläufig ist." Afghanistans Verteidigungsminister Abdul Wardak kündigte an, im November die nächsten Regionen zu benennen, in denen die Sicherheitsverantwortung von Soldaten und Polizisten seines Landes übernommen würden. Dabei sind eventuell die Stadt Faisabad und die zugehörige Provinz, wo die Bundeswehr stationiert ist.

Abzug der Kampftruppen koordinieren

De Maizière lud daher am Donnerstag die Kollegen der Staaten, die auch in Nordafghanistan sind, zum Gespräch. Es ging auch darum, den Abzug der Kampftruppen zu koordinieren. Der Deutsche warb aber für eine "verantwortungsvolle Reduzierung, die die Sicherheit der verbleibenden Soldaten nicht gefährdet". Er warnte vor überspannten Ankündigungen. Als "gute Nachricht" empfand er, dass die USA demnächst zwar einige Hundert der 5000 Soldaten im Norden abziehen, wichtige Funktionen bis auf Weiteres aber in vollem Umfang bereitstellen werden, wie Panetta bekanntgab. Dazu gehören Transporthubschrauber, Spezialkräfte und Ausrüstung, um gegen selbst gebastelte Bomben geschützt zu sein.