Éric Besnard ist bekannt für seine warmherzigen Wohlfühlfilme. In „Die einfachen Dinge“ lässt er einen gestressten Tech-Unternehmer mit einem knurrigen Einsiedler aufeinandertreffen.

Das Unglück passiert auf einer einsamen Bergstraße in den französischen Alpen. Topmanager Vincent Delcourt (Lambert Wilson) bleibt mit seinem schicken Cabrio liegen. In einem Hochleistungsleben, wie er es führt, ist so ein plötzlicher Stop nicht vorgesehen. Doch er hat Glück: Eigenbrödler Pierre Vernant (Grégory Gadebois) kommt mit seinem Motorrad vorbeigefahren, hält an und bietet ihm seine Hilfe an. Bis das Auto repariert ist, nimmt er Vincent mit auf den Berg in seine Hütte. Dort angekommen serviert er seinem Gast erst einmal ein deftiges Mittagessen. Es gibt Rührei, Brot und Rotwein. Seine Mimik verrät dabei zwar seinen Widerwillen, doch, so zitiert er Homer: Die Gastfreundschaft ist heilig.

 

In atemberaubendem Bergpanorama wird gegessen, und es wird schnell offensichtlich, welche Kluft zwischen den beiden Männern liegt. Während Vincent unentwegt plaudert, gibt sich Pierre wortkarg. Auf die Fragen des Tech-Unternehmers antwortet er einsilbig, wenn überhaupt. Die Männer sitzen sich beim Essen gegenüber, der eine wippt nervös mit dem Fuß, während der andere seine nackten Zehen ins Gras gräbt. Pierre lebt im Einklang mit der Natur. Er sammelt Kräuter, hackt Holz für seinen Ofen oder geht angeln. Sein einziger Kontakt, so scheint es anfangs zumindest, ist ein kleiner streunender Hund. Vincent hingegen hat mit einem Datingportal ein Vermögen gemacht. Seither jagt er Terminen und neuen Innovationen hinterher. Ein Leben auf der Überholspur.

Alle Zutaten fürs Wohlfühlkino

Der französische Regisseur und Drehbuchautor Éric Besnard ist bekannt für seine warmherzigen Wohlfühlfilme. In „Birnenkuchen mit Lavendel“ aus dem Jahr 2015 erzählt er eine unkonventionelle Liebesgeschichte zwischen einem Mann mit Asperger-Syndrom und einer verwitweten Obstbäuerin. Der Film wurde international zu einem Kinohit. 2021 konnte er mit „À la Carte – Freiheit geht durch den Magen“, einem Film über die Entstehung der französischen Restaurantkultur, an den Erfolg anknüpfen. Besnard schafft bestes französisches Wohlfühlkino, das unterhält, ohne zu seicht zu sein. „Die einfachen Dinge“ hat wieder alle Zutaten, die es dafür braucht: gegensätzliche Charaktere, die schrullig, aber charmant aneinandergeraten, die atemraubende Landschaft der französischen Alpen und eine Liebesgeschichte, die am Ende offenbart, dass Pierre vielleicht doch gar nicht immer ganz allein sein möchte.

Nach der Entschleunigung folgt Panik

Nach dem Mittagessen legt sich Vincent eher widerwillig als freiwillig in die Hängematte. Für Pierre ist Mittagschlafzeit. Er lebt nach einem Rhythmus, den er selbst vorgibt, nicht ein eng getakteter Terminkalender wie bei Workaholic Vincent. Und das Wunder geschieht: Vincent fällt in einen derart tiefen Schlaf, wie ihn nur die sommerliche Landluft in den Bergen herzustellen vermag. Erst nach drei Stunden schreckt er hoch. Warum er nicht geweckt wurde? „Sie schienen es dringend nötig zu haben“, sagt Pierre.

Zurück im normalen Leben, könnte nach dieser kurzfristigen Entschleunigung alles weitergehen wie bisher. Bei einem Fernsehauftritt jedoch bekommt Vincent auf die Frage einer Reporterin hin, ob er denn glücklich sei, eine Panikattacke. Kurz darauf steht er unter fadenscheinigen Gründen wieder bei Pierre vor der Tür und bittet um Obhut – und ein weiteres erholsames Schläfchen. Sie nähern sich einander an, sie lernen voneinander, etwa Lächeln (Pierre) und Tischlern (Vincent), und gehen der Frage auf den Grund: Wie wollen wir eigentlich leben?

Wie wollen wir eigentlich leben?

In Besnards neuem Film könnte es allzu offensichtlich sein, worauf das Drehbuch hinaus möchte. Schließlich legt es allein der Titel schon nahe. Die einfachen Dinge sind es wohl, die das Leben lebenswert machen. Nicht Geld, Karriere, ein voller Terminkalender, das Großstadtleben. Sondern ein Leben in der Natur, Ruhe und Rührei vor Gebirgskulisse.

Keine zufällige Begegnung

Und dann überrascht der Film mit Unvorhergesehenem. Es zeigt sich, dass keiner der Protagonisten dem Prototyp entspricht, den er bisher verkörpert hat. Die zufällige Begegnung der beiden Männer war vielleicht doch nicht so zufällig wie gedacht. Die Wendung wirkt vielleicht etwas konstruiert. Auch dem außergewöhnlichen Schauspielgespann Gadebois, dem die Rolle des Pierre auf den Leib geschrieben wurde, und Wilson ist es aber zu verdanken, dass der Film sehenswert ist. Und ganz nebenbei sorgt dafür auch die wunderschön gefilmte Landschaft als dritte nicht ganz unwesentliche Hauptdarstellerin.

Die einfachen Dinge: F 2023. Regie: Éric Besnard. Mit Grégory Gadebois, Lambert Wilson. 95 Minuten.

Ein erfolgreiches Duo

Éric Besnard
Der französische Regisseur und Drehbuchautor ist 1964 geboren. Er studierte zunächst Politikwissenschaften, bevor es ihn zum Film zog. 2015 gelang ihm mit „Birnenkuchen mit Lavendel“ der große Durchbruch. Der Film zog allein in Deutschland 700 000 Menschen ins Kino. Mit „À la Carte“ konnte er 2021 an den Erfolg anknüpfen.

Grégory Gadebois
Der Schauspieler ist 1976 in Frankreich geboren. Gadebois gehört zu den beliebtesten Schauspielern seines Landes. Nach dem Studium an Frankreichs ältester und bedeutendster Schauspielschule in Paris spielte er zunächst Theater. 2010 übernahm er das erste Mal die Hauptrolle in einem Film und wurde für seine Darstellung in „Angèle und Tony“ mit dem César als bester Nachwuchsdarsteller ausgezeichnet. Schon im Film „À la Carte“ hat er mit dem Regisseur Éric Besnard zusammengearbeitet.