Autohersteller vergeben immer mehr Aufgaben rund um Forschung und Entwicklung an Dienstleister. Bertrandt mit Sitz im baden-württembergischen Ehningen profitiert von diesem Trend, investiert mehr und sucht Fachkräfte.

Stuttgart - Der Entwicklungsdienstleister Bertrandt will in den nächsten Jahren von der Verkürzung der Innovationszyklen in der Autoindustrie und der zunehmenden Modell- und Antriebsvielfalt profitieren. Dienstleister würden künftig immer mehr Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten übernehmen, schreibt das Ehninger Unternehmen in einer Mitteilung und verweist dabei auf entsprechende Studien. Würden derzeit sechs Prozent der weltweiten F&E-Aufwendungen von Dienstleistern erbracht, soll dieser Anteil bis 2030 auf acht Prozent steigen, zitiert Bertrandt aus einer Studie, die die Unternehmensberatung Oliver Wyman und der Autoverband VDA erstellt haben. Damit wächst das Marktvolumen der Entwicklungsdienstleister deutlich: Im Geschäft mit der Autoindustrie haben sie im vergangenen Jahr weltweit insgesamt elf Milliarden Euro umgesetzt, 2023 sollen es bereits mehr als 18 Milliarden Euro sein.

 

Um von den Trendthemen autonomes Fahren, Elektromobilität, Digitalisierung und Vernetzung zu profitieren, investiert das Ehninger Unternehmen kräftig. „Wir setzen in den Auf- und Ausbau der Infrastruktur“, sagt Vorstandschef Dietmar Bichler. So entstehe am Stammsitz Ehningen ein Hochvolt-Batterieprüfzentrum. Zudem sollen neue Prüfzentren für die Erprobung von Hochvolt-Leistungselektronik errichtet werden. Darüber hinaus seien zwei Prüfzentren für neue Antriebstechnologien im Norden und im Süden Deutschlands geplant. Gut 38 Millionen Euro – rund ein Drittel mehr als im Vorjahr – hat Bertrandt in den neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres (es begann am 1. Oktober) in Gebäude und technische Anlagen entlang der Trendthemen investiert, steht in der Mitteilung.

Vier bis fünf Start ups geplant

Zudem setzt Bertrandt auf agile Einheiten mit Start-up-Charakter. Damit will Bertrandt eine Struktur schaffen, um auf Märkte, die sich schnell verändern, reagieren zu können. In Deutschland geplant seien vier bis fünf solcher Start-ups, die jeweils eine zweistellige Zahl an Mitarbeitern, die bereits an Bord seien, erhalten. Diesen Start-ups, die die Rechtsform der GmbH erhalten sollen, wird eine größere Eigenständigkeit zugestanden. Sie sollen sich mit Themen wie Künstlicher Intelligenz, Big Data und cloudbasierten Lösungen beschäftigen. Dabei will sich das Ehninger Unternehmen nicht nur auf die Autoindustrie konzentrieren, es geht auch um Branchen wie die Medizintechnik und den Maschinenbau.

Die Entwicklung des Dienstleisters in den ersten drei Quartalen sei erwartungsgemäß. Die Gesamtleistung – in etwa vergleichbar mit dem Umsatz – stieg um gut zwei Prozent auf 752,6 Millionen Euro. Deutlich stärker legt der Ertrag zu. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) schnellte um 24 Prozent auf 49 Millionen Euro in die Höhe. Nach Steuern wird ein Gewinn von 32,1 (Vorjahr: 27,8) Millionen Euro ausgewiesen.

1500 offene Stellen

Für das gesamte Jahr erwartet der Vorstand eine um 20 bis 50 Millionen höhere Gesamtleistung als im Vorjahr (993 Millionen Euro). Bertrandt ist außer in Deutschland auch in China, Rumänien, Frankreich, Italien, Türkei und den USA tätig. Das Ebit im Gesamtjahr soll mindestens 8,1 Millionen Euro über Vorjahr (62,8 Millionen Euro) liegen, schreibt das Unternehmen. Die Investitionen würden bis Ende des Jahres auf 45 bis 50 Millionen Euro steigen; im Vorjahr waren es 38 Millionen Euro. Die Eigenkapitalquote des Unternehmens liegt bei knapp 50 Prozent.

Ende Juni hat Bertrandt gut 13 000 Mitarbeiter beschäftigt; dies sind 60 mehr als im Jahr zuvor. Bertrandt habe derzeit mehr als 1500 offene Stellen, teilt Bertrandt. Gesucht wird ganz überwiegend für Standorte in Deutschland. Bertrandt benötigt unter anderem Ingenieure, Softwareentwickler, Techniker, Servicetechniker und Testmanager. Die Aktien des Unternehmens werden seit 1996 an der Börse notiert. Größter Aktionär ist Porsche; der Sportwagenbauer hält knapp 29 Prozent der Anteile. Der Abgasspezialist Boysen in Altensteig/Schwarzwald ist mit knapp 15 Prozent beteiligt. Neun Prozent der Anteile befinden sich in den Händen von Mitarbeitern (einschließlich Manager). Rund 47 Prozent der Papiere sind breit gestreut.