Kilian Krug ist dieses Jahr der einzige Neupriester der Diözese Rottenburg. Zum Zölibat sagt er Ja – trotz allem.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Rottenburg - Ein wenig geht es Kilian Krug auf den Geist , dass er als Unikum gilt, quasi als Letzter einer aussterbenden Art, auch wenn das so natürlich nicht stimmt. Der junge Mann, der im Garten des Rottenburger Priesterseminars in der Sonne sitzt, ist in diesem Jahr der einzige Neupriester in ganz Württemberg. Gerade hat er erfahren, dass das Bistum ihn als Vikar nach Lauffen am Neckar schicken wird. Auf der Homepage hat er die fremde Gemeinde studiert und selbstverständlich Ja zu seinem geistlichen Marschbefehl gesagt. „Ich lasse mich bewusst dorthin senden, wo man mich braucht“, sagt er pflichtbewusst. Dass ein Neupriester wie Krug ganz allein am Altar des Rottenburger Doms die Weihe empfängt, dem Bischof Gehorsam verspricht und sich zum Zeichen der Hingabe flach auf den Boden legt, gab es noch nie in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die immerhin die viertgrößte der Republik ist.

 

Vielleicht hat sich Krug in dem Moment ein wenig einsam gefühlt. Vielleicht hat er die Erwartungen der Gläubigen und den Druck gespürt, als er eineinhalb Stunden lang Hände geschüttelt und Gratulationen entgegengenommen hat. Genossen hat er es in jedem Fall. „Ich fühle mich sehr glücklich“, sagt der 32-Jährige und strahlt wie jemand, der das Ziel eines langen Weges erreicht hat. „Ganz begriffen habe ich noch nicht, dass ich jetzt wirklich Priester bin.“

Als Solist eines Jahrgangs spielte Krug eine ungewohnte Sonderrolle. Er hatte oft Einzelunterricht, war zeitweise der einzige Bewohner des imposanten Priesterseminars und bekam eine Intensivbetreuung. Nun stellt ihn sein Status vor eine neue, spezielle Herausforderung. Er wird in dieser Woche viele Klöster besuchen, um dort seinen Primizsegen – den ersten Segen eines Priesters – zu spenden. Damit revanchieren sich die neuen Geistlichen traditionell für die Gebete der Nonnen zuvor. Krug muss das Pensum alleine bewältigen, Untermarchtal, Heiligenbronn, die Liebfrauenhöhe oder Reute besuchen. „Ich tue, was ich kann“, sagt er bescheiden. „Alle Klöster schaffe ich jedoch nicht.“

Der gebürtige Rottweiler ist wider Willen zum Symbol des Mangels geworden. In der Diözese sank die Zahl der Priester in den vergangenen 20 Jahren um rund ein Drittel. Ein Grund ist wohl das Zölibat. Auch Krug konnte sich lange nicht vorstellen, dereinst auf Ehe und Familie zu verzichten. Als Student hatte der Sohn eines Finanzbeamten und einer Hausfrau kaum eine Party ausgelassen und mit seiner Freundin schon Hochzeitspläne geschmiedet. Eigentlich hatte er eine Stelle als Pastoralreferent im Blick, wie so viele, die nicht auf eine Partnerschaft verzichten, aber in den Dienst der Kirche wollen. Doch dann kam alles ganz anders.

Wenn Kilian Krug von dieser Wende erzählt, klingt es ein wenig nach einem Wunder. Darüber mögen Zweifler den Kopf schütteln, doch die Gefühle des Mannes aus tiefgläubigem Elternhaus sind ernst zu nehmen. Krug ist kein Träumer, er steht mit beiden Beinen auf der Erde. Er hat sich mit Ausdauer und Durchsetzungswillen nach der Werkrealschule über ein Aufbaugymnasium zum Studium gekämpft und Fehlschläge weggesteckt. Er hat Erfahrungen gesammelt als Austauschstudent in Chile und Missionar in Bolivien.

Er sieht heute mit seinem akkurat gestutzten Bart und dem runden Gesicht brav aus, trug früher aber lange Haare, hat geklettert und empfindet immer noch eine „gewisse Abenteuerlust“. Doch Krug weiß sich auch von einer höheren Wahrheit ergriffen: „Gott will, dass ich Priester werde“, sagt er bestimmt. Erstmals hat er diesen Ruf mit 13 Jahren bei einer Jugendwallfahrt gespürt. Die Gewissheit stellte sich erst 13 Jahre später in einem einsam gelegenen südamerikanischen Kloster ein.

Der anschließende Abschied von der bisherigen Zukunftsperspektive, die Trennung von der Freundin, die mittlerweile glücklich verheiratet ist, fielen zwar schwer, geschwankt hat Krug aber nicht mehr. Er scheint mit sich im Reinen, wirkt ruhig, selbstbewusst und zuversichtlich. „Ich traue Gott zu, dass er mich auch ohne Familie und Kinder glücklich machen kann.“ Für ihn hat das Zölibat seinen Sinn, weil er sich ganz in den Dienst Gottes und der Menschen stellen will. „Wenn mich abends jemand zu einem Sterbefall ruft, habe ich Zeit und eben keine Familienpflichten“, sagt Krug pragmatisch.

Seine frommen Eltern sind glücklich über den Weg ihres Sohnes. Das macht die Sache leichter. Auch die Freunde und viele Menschen aus seiner Heimatgemeinde Deißlingen-Lauffen stehen hinter dem Seelsorger. Sie werden am Sonntag in der Sankt-Georgs-Kirche das nächste große Fest mit ihm feiern: die Primiz, die erste heilige Messe eines Priesters. Noch einmal werden Hunderte kommen und Krug Glück wünschen. Der freilich hat auch kein Patentrezept, wie die Kirche mehr Nachwuchs gewinnt. „Priester kann man nicht zaubern“, sagt er. „Gott beruft, und der betreffende Mensch antwortet.“ Zumindest in der Diözese scheint dieser Dialog wieder stärker in Gang zu kommen. Im nächsten Jahr, so heißt es, würden immerhin zehn junge Männer zu Priestern geweiht.