Kein Supermarkt, keine Post, keine Bank: In Tailfingen fehlt es an Geschäften. Deshalb eröffnen jetzt die Anwohner einen Tante-Emma-Laden.

Gäufelden - In den letzten Jahren ist es Tailfingen nicht anders ergangen als den meisten anderen kleinen Gemeinden in Deutschland: Das letzte Lebensmittelgeschäft im Gäufeldener Stadtteil hat schon vor vielen Jahren zugemacht, es folgten die Filialen der Post und der Volksbank, nicht einmal die Bäcker konnten sich lange halten. Der Metzger öffnet inzwischen nur noch einmal in der Woche.

 

Doch ein knappes Dutzend Tailfinger wollte sich nicht damit abfinden, dass „man sogar dann in den Nachbarort fahren muss, wenn man nur einen Würfel Hefe braucht“, wie es Almuth Keitel ausdrückt. Die 52-Jährige hat mit einem knappen Dutzend anderer Mitstreiter eine Genossenschaft gegründet, die von April an einen Tante-Emma-Laden für die 1400 Einwohner Tailfingens betreiben will.

Der zukünftige Laden liegt im Zentrum Tailfingens, gegenüber dem alten Rathaus, das heute eine KZ-Gedenkstätte beherbergt, und nicht weit von Kindergarten und Grundschule. „Viele Mütter kommen hier vorbei, wenn sie ihre Kinder morgens in die Kita oder zur Schule bringen“, erläutert Keitel. Sie könnten ebenso zu den zukünftigen Kunden des Geschäftes gehören wie ältere Menschen ohne Auto oder Berufstätige, die „abends nicht mehr in den Nachbarort fahren wollen“, sagt Irene Nestmann. Die 63-Jährige engagiert sich wie Almuth Keitel als Ehrenamtliche für das Projekt .

„Der Schwabe investiert nicht umsonst“

Der neue Dorfladen soll eine breite Auswahl an Lebensmitteln bieten: Die Kunden sollen neben Gemüse, Obst und Milchprodukten auch frisches Brot, Kuchen und Fleisch in den Regalen finden. Die Genossenschaftsmitglieder setzen dabei auf Kooperationen vor Ort: Der neue Bäcker ließ sich nur deshalb in Tailfingen nieder, weil er die feste Zusage hatte, dass er den neuen Dorfladen beliefern darf. Der örtliche Metzger wird das Geschäft mit Schnitzeln und Hackfleisch versorgen, Landwirte aus der Region wollen Kartoffeln, Äpfel und Honig anliefern.

Mit regionalen Waren wollen die Gründer die Identifikation der Tailfinger mit dem Dorfladen stärken; schließlich müssen sie am Tag etwa 800 Euro Umsatz machen, damit der Laden keine Verluste macht. Doch die Initiatoren sind zuversichtlich: Schließlich haben mehr als 250 Tailfinger Anteilsscheine am Dorfladen für mindestens 100 Euro gekauft. Sie alle werden das Geschäft nutzen, obwohl die Preise wohl etwas höher liegen werden als im Supermarkt. Davon ist die Mitgründerin Almuth Keitel fest überzeugt: „Der Schwabe investiert schließlich nicht umsonst.“

Vom Dorfladen könnten sogar jene profitieren, die dort gar nicht einkaufen. Schließlich gilt eine gute Infrastruktur als Standortfaktor, besonders im Fall kleinerer Gemeinden. „Wo es keine Nahversorgung gibt, sinken die Grundstückspreise um bis zu 30 Prozent“, sagt Keitel.

Keine Finanzspritzen von Land und Gemeinde

Die Tailfinger sind deshalb nicht die einzigen, die aktiv werden. Auch anderswo nehmen die Bewohner kleinerer Gemeinden die Gründung von Dorfläden in die Hand. Seit 2011 sind in Baden-Württemberg laut Landesregierung 17 genossenschaftlich organisierte Läden entstanden. Während Dorfläden in Bundesländern wie Schleswig-Holstein staatlich gefördert werden, gibt es in Baden-Württemberg solche Hilfen nicht. Auch der Gäufeldener Bürgermeister Johannes Buchter schließt Zuschüsse von der Gemeinde aus – als Privatmann hat er das Projekt durch den Kauf von Anteilsscheinen durchaus unterstützt.

So sind es vor allem Ehrenamtliche, die die Gründung vorantreiben. Sie bringen alle ihr Berufswissen ein: der Architekt Dieter Schmollinger genauso wie der ehemalige Kreisbaumeister Ewald Bahlinger, die Fleischerei-Fachverkäuferin Lilli Fleck ebenso wie die Gastronomin Almuth Keitel. Das Projekt Dorfladen schaffe Kontakte über Alters- und Berufsgrenzen hinweg, schwärmt Almuth Keitel: „Selbst Männer, die erst seit einigen Jahren in Tailfingen wohnen, packen am Wochenende auf der Baustelle mit an.“ Manche hätten sogar ihren Weihnachtsurlaub geopfert, um beim Ausbau des Ladens mitzuhelfen.