Die einen konnten sich ein Überleben mittels Avatar leisten, die übrigen füttern die Computer: Jugendbuchautor Martin Schäuble entwirft in „Godland“ eine finstere Climate-Fiction.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Künstliche Intelligenz ist Thema von aktuellen Ausstellungen; am Beispiel von ChatGPT sorgt sie für spannende Diskussionen, die nicht nur in Klassen- und Lehrerzimmern engagiert geführt werden.

 

Genau zur rechten Zeit kommt also das neue Jugendbuch von Martin Schäuble, das in einem dystopischen Setting Fluchten in eine digitale Welt inszeniert. Im Mittelpunkt des Thrillers stehen drei junge Menschen, die sich auf einer Serverinsel im Pazifik mit anderen Überlebenden um Supercomputer kümmern. Godmother regelt ihren Alltag. Sie ist eine künstliche Intelligenz, die mit freundlicher Stimme und mütterlicher Maske vergessen lässt, dass sie eigentlich ein perfektes, perfides Überwachungssystem ist und jeden einzelnen durchschaut, weil sie alles über ihn weiß.

Kurzfassung: Die Erde ist am Arsch

Die 15-jährige Yolanda führt uns im Stakkato ein in das Untergangsszenario, das unsere Realität ein Stück in eine weniger schöne Zukunft dreht. „Ich will euch nicht langweilen, daher die Kurzfassung“, hebt ihr Bericht an: „Die Erde ist am Arsch: zu wenig sauberes Wasser, zu viel Müll, Dürre, Starkregen, kaum noch gesundes Essen, dreckige Luft, keine Natur. Kennt ihr ja alles.“ Nach Steigen von Temperatur und Meeresspiegel, nach mörderischen Kriegen um die letzten Ressourcen hat sich die Menschheit in Hochgeladene und Analoge geteilt. Die einen konnten sich ein Überleben mittels Avatar in Godland leisten, die übrigen füttern die Computer und hoffen, dass sie nach zwanzig Dienstjahren mit einem Upload ins digitale Paradies belohnt werden.

Martin Schäuble hat seinen über 300 Seiten starken Thriller, der mehr ist als eine Climate-Fiction, höchst spannend angelegt. Mit Yolanda und ihren beiden Freunden Tian und Silver lernt man nicht nur den Drei-Schicht-Alltag auf der Insel mit seinen Regeln und Ritualen kennen, sondern ist auch bei einem Alarmeinsatz des Trios mit einer ersten geheimen Botschaft konfrontiert. „Godland ist ein Fake. Seid bereit“, steht auf dem Zettel, den die drei beim Austausch eines Filters finden – und der den Sturz des Godmother-Systems zur Möglichkeit macht, auf dessen Realisierung der Plot hinarbeitet.

Fantastisch ausgestaltete Digital-Utopie

Fluchten in digitale (Spiele-)Welten, die Idee vom ewigen Leben in einer Art Superrechner, der Charme einer künstlichen Intelligenz, die mit klugen Regeln und der Überwachung ihrer Einhaltung das Leben zu einer für alle gerechten Angelegenheit machen würde, die schwierige Trennung von Fake und Fakten: das sind nur ein paar der Themen, die Martin Schäuble anklingen lässt, zum einen in der fantastisch ausgestalteten Godland-Utopie, zum anderen auf den finsteren Computerinseln.

Ein Leben im Jetzt, wünscht sich Yolanda

Zum Nachdenken regt der Autor auch im Umgang mit unserem Planeten an und greift in „Godland“ sowohl die Alarmiertheit von Klimaaktivisten auf als auch ein allgemeines Unbehagen am Zustand unseres Zusammenlebens. Die endlichen Ressourcen des Planeten sind Thema, wenn auf der Serverinsel im Pazifik die Versorgung mit Nahrungsmitteln immer schwieriger wird. Auf eine emotionale Ressource, nämlich Empathie, baut Schäuble sein Happy End. „Zu viel Ich – zu wenig Wir“, räsonieren die jungen Helden, war Ausgangspunkt für den Untergang. Mehr Wir und ein gutes Leben im Jetzt wünscht sich Yolanda nach einem emotional dichten Finale.

Buch

Martin Schäuble:
Godland. KJB-Verlag. 333 Seiten. 15 Euro. Ab 12 Jahren