Bei einem Feuer im Tunnel gilt es, schnell zu flüchten und sich und andere in Sicherheit zu bringen.

Leonberg - Angeregt diskutieren Gruppen von Feuerwehrleuten in der zweieinhalb Kilometer langen Oströhre des Engelbergtunnels. Die ist voll gesperrt: Kein Auto, kein Blaulicht, keine Martinshörner, nur die Stimmen der Männer und Frauen sind zu hören, die aus Leonberg, Gerlingen, Rutesheim, Ditzingen, Renningen und Magstadt gekommen sind.

 

Doch was hat sie dazu bewegt, sich die Nacht hier im Untergrund um die Ohren zu schlagen? Etwa das ausgebrannte Autowrack, das auf einem Anhänger auf der mittleren Fahrbahn steht? Doch dazu gehört auch ein Messstand, der voll bepackt ist mit Computern und großen roten Propangasflaschen.

Höllenlärm nachts um halb eins

Da geht plötzlich kurz nach halb eins Uhr ein Höllenlärm los, als ob hunderte Lastwagen in den Tunnel einfahren würden. Dabei wurde nur ein riesiges Gebläse der Bosch-Werksfeuerwehr gestartet. Weil man sein eigenes Wort nicht mehr versteht, bittet Enrico Hinz, der Projektleiter beim Regierungspräsidium für Arbeiten am Engelbergtunnel, in einen der sieben Querschläge, die alle 300 Meter die beiden Tunnelröhren verbinden.

Diese Querschläge sind der eigentliche Grund für den nächtlichen Auflauf und die komplette Sperrung beider Röhren in zwei aufeinanderfolgenden Nächten. Diese sieben Querschläge sind das Herzstück der Vorkehrungen im Falle eines Brandes in einer der Röhren: Sie sind die Fluchtwege.

Riesige Ventilatoren erzeugen Überdruck

Ursprünglich war gedacht, dass die Menschen im Notfall über sie in die andere Röhre flüchten. Die wird von der Technik des Tunnels für den Verkehr gesperrt. Riesige Ventilatoren an der Decke erzeugen in der Fluchtröhre Überdruck, so dass der Rauch sich hier nicht ausbreiten kann.

Doch dieses System ist gegenwärtig überholt. Für rund 1,5 Millionen Euro hat das Regierungspräsidium Tore und Türen an den Querschlägen einbauen lassen. „Diese sollen die Fluchtwege noch sicherer machen“, erläutert Enrico Hinz. „Die neuen Brandschutztüren halten zwar einiges aus, doch in den Querschlägen sollte man sich bei einem Brand nicht lange aufhalten, sondern sich nach draußen begeben.“

Acht Brandversuche

Mit dem Schließen der Querschläge muss nun auch das Belüftungskonzept des Tunnels angepasst werden. Die Deckenventilatoren sorgen weiterhin für Überdruck in der Fluchtröhre. „Doch ihre Bedeutung geht zurück, dafür wird das Abluftsystem wichtiger, das möglichen Rauch an der Decke absaugt und unter der Fahrbahn am Nordportal hinausbläst“, sagt Hinz. Ob das alles funktioniert, sollen acht Brandrauchversuche, vier pro Röhre, klären.

Ein Signalhorn ertönt. In dem Autowrack lodern riesige Flammen auf und aus einer Nebelkanone wird harmloser weißer Rauch geblasen. Der steigt augenblicklich zur Decke und breitet sich in beide Richtungen aus. „Es ist unheimlich, wie schnell das geht“, sind sich alle einig. Die Leonberger Feuerwehrleute zücken die Stoppuhren. „26 Sekunden!“, meldet einer an Kommandant Wolfgang Zimmermann.

26 Sekunden bis zum Alarm

Soviel Zeit ist vom ersten Flammenstoß bis zur Alarmmeldung in der Leonberger Hauptfeuerwache vergangen. Enrico Hinz ist zufrieden: „Eine Minute darf es sein.“ Die Leittechnik des Tunnels hat die Autos an der Einfahrt der Weströhre gestoppt.

Die Brandsensoren in der Tunneldecke haben auch die riesigen Ventilatoren der Tunnelentlüftung, deren Rotoren fast acht Meter Durchmesser haben, anspringen lassen. Der weiße Rauch wird alle 20 Meter abgesaugt. „Was hier im Test schön anzusehen ist, ist in Wirklichkeit lebensgefährlich. Brennt ein Auto, ist der Rauch meist schwarz und giftig, er behindert die Sicht und wo er abkühlt, fällt er wie eine Mauer zu Boden“, erläutert Enrico Hinz. Jedes Zögern auf der Flucht könne tödlich sein.

900 Grad beim Test

Derweil flitzt Wilfried Mertens mit einem Elektro-Roller durch den Tunnel. Der Abteilungsleiter des Aachener Instituts für Industrieaerodynamik (Ifi) leitet die Tests. Nach 20 Minuten, in denen keine Auffälligkeiten verzeichnet wurden, wird dem Feuer das Gas abgedreht. Metallteile des Autowracks glühen. „Wir haben 900 Grand Celsius erreicht“, erklärt Mertens. Dabei sei das Testfeuer bei einer Leistung von etwa 1,5 Megawatt gehalten worden, um keine Tunneleinrichtung zu beschädigen. Brennt aber ein Auto aus, werden bis zu sechs Megawatt entwickelt. Das komme fast dem Energieverbrauch eines kleinen Hauses in einem Jahr gleich. Auch wenn bislang keine sichtbaren Mängel festgestellt wurden, muss das Ifi-Team die aufgezeichneten Daten im Labor auswerten.

Enrico Hinz macht derweil einen Kontrollgang in der Weströhre. Der ist nach einem Brandalarm Pflicht, um sie wieder für die Autos frei zu gegeben. Die Nacht ist noch lang: zwei weitere Brandtests folgen.