NSU-Ausschuss in Baden-Württemberg Zeuge aus der rechten Musikszene gibt sich harmlos

Wie radikalisieren sich Rechtsextreme? Eine große Rolle spielt dabei Musik. Der U-Ausschuss des Landtags geht dem Zusammenhang nach.
Stuttgart - Der Untersuchungsausschuss zu den Verbrechen der Terrorzelle NSU hat am Montag die rechtsextremistische Musikszene durchleuchtet. Vor dem Landtagsgremium in Stuttgart bestritt ein langjähriges Mitglied der bereits aufgelösten baden-württembergischen Band namens „Noie Werte“ jegliche Beziehungen zum NSU. Lieder dieser als rechtsextremistisch eingestuften Gruppe waren auf Bekennervideos der drei Rechtsterroristen zu hören.
Die Mitglieder des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) - Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt - sind nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft für zehn überwiegend rassistisch motivierte Morde zwischen 2000 und 2007 verantwortlich, darunter an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn. Das Landtagsgremium erhofft sich Informationen über das Unterstützerumfeld des NSU und Aufenthaltsorte der Terrorzelle in Baden-Württemberg.
Angeblich Hitlergruß bei Rockkonzerten
Anders als der Musiker berichtete ein ehemaliger Vertreiber von Rechts-Rock-Tonträgern von seiner Freundschaft zu Uwe Mundlos, den er bei einem Konzert kennengelernt habe. Er habe sich abgehoben aus der breiten Masse: „Er war ein lustiger Kerl.“ Die Verbrechen hätte er ihm nie zugetraut, sagte der 42-jährige Chemnitzer, der bis Ende der 1990er Jahre Kontakt zu dem Mann hatte. Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und die einzige Überlebende des Trios, die in München vor Gericht stehende Beate Zschäpe, tauchten Januar 1998 unter.
Der ehemalige „Noie Werte“-Musiker (48) sagte: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt in meinem Leben und Wirken diese drei Personen gekannt.“ Der Maschinenschlosser distanzierte sich von deren Verbrechen. Es sei eine Unverschämtheit, wenn ein Zusammenhang zwischen den Morden und den Videosequenzen hergestellt werde. Der Bassgitarrist stellte sich als streitbarer Musiker mit „Outlaw“-Mentalität und gutem Verhältnis zu Ausländern dar, der sich um die Texte der Lieder, die er spielte, nicht gekümmert habe. Diese lesen sich beispielsweise im Stück „Kraft für Deutschland!“ wie folgt: „Wir haben keine andere Wahl, auf geht’s nun zum Sieg - gegen Spießertum und Kapital, ihnen gilt unser Krieg! Der Kampf gilt auch den Linken... Doch wir werden sie besiegen mit rechtem, deutschem Mut! (...)“
Musiker und Daimler-Betriebsrat
Dass bei Konzerten der Band das Publikum den - in Deutschland verbotenen - Hitlergruß gezeigt habe, wie ihm der Ausschuss-Chef Wolfgang Drexler (SPD) vorhielt, sei ihm nicht bekannt, betonte der Zeuge. Drexler erinnerte daran, dass das Arbeitsgericht Stuttgart den Musiker des Amtes eines ehrenamtlichen Richters enthob, weil er einer Band mit verfassungsfeindlicher Gesinnung angehöre. Der 48-Jährige tat das als Verzerrung ab. Wenn diese Vorwürfe stimmten, hätte die Band strafrechtlich verfolgt werden müssen, sagte der Maschinenschlosser.
Der Ausschuss suggeriere „Musik machen gleich Mord“. Sozialdemokrat Drexler verwies darauf, dass das mörderische Trio sich mit Musik radikalisiert habe. Die Grünen-Abgeordnete Petra Häffner resümierte, der Mann versuche, ein „weißes Hemdchen zu zeigen“, das bei näherer Betrachtung doch gar nicht so weiß sei.
Der Musiker und Daimler-Betriebsrat sagte, die Band habe sich anwaltlich beraten lassen, welche Texte noch straffrei zu veröffentlichen seien. Das Landesamt für Verfassungsschutz erläuterte, in den vergangenen Jahren sei zu beobachten, dass sich die Skinheadszene zum Teil besser juristisch gegen Kontroll- und Exekutivmaßnahmen bei ihren Konzerten absichere. „Dies geschieht unter anderem in Form von Rechtsschulungen innerhalb der Szene“, teilte die Behörde mit.
2016 fanden im Südwesten laut Verfassungsschutz sieben rechtsextremistische Konzerte statt, mehrere in Bad Wildbad im Nordschwarzwald. Dort bot eine Gaststätte den Bands eine Örtlichkeit an. 2014 und 2015 waren es jeweils drei Konzerte.
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