Der NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag beschäftigt sich mit einem Video. Darauf zu hören: die Stuttgarter Rechtsrock-Band „Noie Werte“.

Stuttgart - Die Bilder des Videos sind verstörend. Abdurrahim Özüdogru liegt am Boden. Blut strömt aus der Nase und dem Mund des Nürnberger Änderungsschneiders. Zwei Schüsse haben den 49-Jährigen in den Kopf getroffen „Wir sind am Puls der Zeit, der Widerstand ist bereit“ grölt eine Stimme zu harten Gitarrenklängen. Ein roter Schriftzug erscheint: „A. Özüdogru ist nun klar, wie ernst uns der Erhalt der deutschen Nation ist“. Die Szene stammt aus einem unveröffentlichten Video, mit dem die Rechtsterroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) im Oktober 2001 ihre Taten dokumentierten.

 

Ein Lied der Rechtsrock-Band „Noie Werte“

Warum die Thüringer Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe das rund sechsminütige Video mit einem Lied der Stuttgarter Rechtsrock-Band „Noie Werte“ untermalten, ist bis heute unklar. Auch auf einer noch älteren Version des Filmchens findet sich ein Stück der baden-württembergischen Musiker. Der NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag hat jetzt den Mann als Zeugen geladen, dessen Stimme auf den Liedern zu hören ist: Steffen Wilfried Hammer. Der gebürtige Bietigheimer war bis zur Auflösung im Jahr 2010 Sänger der „Noien Werte“.

Seit Anfang der Neunziger Jahre zählt der 47-jährige Rechtsanwalt zu den bekannteren Personen der rechtsextremen Szene im Südwesten. Seine Band genießt dort absoluten Kult-Status. Genau darin könnte der Grund liegen, warum der NSU auf die Musik der „Noien Werte“ zurückgriff. Zumindest bestritten zwei ehemalige Band-Mitglieder vor dem Ausschuss bisher jede Verbindung zu den Rechtsterroristen. „Erklären kann ich mir das gar nicht“, sagte einer von ihnen zur Musik auf dem Video.

Keine neuen Erkenntnisse erwartet

Dass Steffen Hammer neue Erkenntnisse über den „Nationalsozialistischen Untergrund“ liefern wird, ist gleich doppelt unwahrscheinlich: im Januar dieses Jahres trat er kurzzeitig als Verteidiger des NSU-Angeklagten Ralf Wohlleben im Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht auf. Insofern dürfte sich Hammer auf seine Rechte als Berufsgeheimnisträger berufen. Auch ein anderer NSU-Beschuldigter ist für den Juristen kein Unbekannter. Für den mutmaßlichen Waffenbeschaffer Jan Werner beantragte Hammer schon im Jahr 2001 eine Besuchserlaubnis in der JVA Oldenburg. Werner, damals wegen eines anderen Verfahrens inhaftiert, bat aufgrund des langen Anfahrtsweges sogar um Besuchszeitverlängerung für Hammer, wie aus Akten hervorgeht.

„Es wird ein interessanter Tag“

Der Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Drexler (SPD) ist trotzdem überzeugt: „Es wird ein interessanter Tag.“ Drexler erhofft sich zumindest neue Informationen zu möglichen Waffengeschäften im Umfeld des NSU. Dazu hat der Ausschuss für den kommenden Montag den ehemaligen NPD-Aktivisten Michael Hubeny geladen. Der 45-jährige Erfurter hatte dem Bundeskriminalamt im März 2012 berichtet, in der Wohnung des Rudolstädter Rechtsextremisten Sven Rosemann diverse Waffen gesehen zu haben. „Er zeigte mir eine Pistole Ceska 83 mit Magazin und eine Kalaschnikow mit seitlich abklappbarer Schulterstütze aus massivem Stahl“, gab Hubeny zu Protokoll. Woher die Waffen kamen, ist bisher nicht vollständig geklärt. Nach Informationen dieser Zeitung ist dazu auch ein Sportschütze aus Aldingen geladen.

Zum wiederholten Male wird es außerdem um angebliche Bezüge islamistischer Kreise zur Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn im April 2007 gehen. Eine sachliche und politische Bewertung dieser Theorien will Wolfgang Drexler vor Abschluss der Ausschuss-Arbeit im Sommer nicht abgeben: „Wir haben in diese Richtung aber bisher keinerlei Bestätigung. Auch nicht aus den Unterlagen, die uns vorliegen.“