Vor einem Jahr wurde eine Spur an der Nürnberger Straße stadtauswärts zum Radweg ausgebaut. Nun zeigen Daten, dass die Maßnahme nur bedingt Radfahrer auf diese Route lockt.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

In der Nürnberger Straße in Bad Cannstatt nutzen Rad- und Autofahrer jeweils eine Spur, zumindest stadtauswärts. Das ist Ausdruck der sich wandelnden Kräfteverhältnisse im Stadtverkehr und Ergebnis eines laufenden Ausbaus der Radinfrastruktur. Weil es Politik und Verwaltung diesmal anders als in den 1980er Jahren ernst meinen, wird über die Maßnahmen auch intensiver diskutiert, nicht zuletzt in den sozialen Medien.

 

Das beste Argument wäre eine intensive Nutzung der neuen Strecken. Wie also sieht es in der Nürnberger Straße aus, deren Umbau seit einem Jahr fertig ist?

Daten dazu sind Mangelware oder jedenfalls nicht öffentlich. Oliver Hillinger berichtet, die Stadt habe Daten vom App-Anbieter Strava gekauft. Details nennt er nicht, doch es „lässt sich herauslesen, dass die Nürnberger Straße im Vergleich zu den Wohnstraßen im Espan häufiger genutzt wird“, so Hillinger. Daten aus der App „Bikecitizens“ hatten im Frühjahr darauf hingewiesen, dass die Parallelstraßen teilweise stärker genutzt werden, allerdings ist die Datenbasis relativ schmal.

Radweg knapp vorn – aber nicht bei allen

Erfreulicherweise hat auch der Fahrradclub ADFC die Strava-Daten erhalten und sie stichprobenhaft für Mai 2018 und Mai 2022 verglichen. Vor vier Jahren nahmen auf der Route zwischen Bad Cannstatt und Fellbach 55 Prozent der Strava-Nutzer die Nebenstraßen, also Rommelshauser Straße, Wannäcker und Espan. 2022 waren es 48 Prozent, über die Nürnberger Straße fuhren 52 Prozent. Bei den Pendlern lag der Anteil der Nebenstreckennutzer jeweils einige Prozentpunkte höher.

Die Aussage der Stadt stimmt also, wenn auch nur sehr knapp – etwas mehr Radler nutzen zwischen Bad Cannstatt und Fellbach mittlerweile die Nürnberger Straße. Ein durchschlagender Erfolg sieht aber anders aus, weiterhin ist fast die Hälfte der Radler auf den Parallelstraßen unterwegs. Die sind durchweg idyllischer und weniger stark befahren, führen aber teilweise auch durchs Wohngebiet und sind abschnittsweise relativ eng und unübersichtlich.

Woran liegt das?

„Der Radschnellweg ist gut. Aber er stellt nur einen kleinen Teil der Gesamtstrecke zwischen Stuttgart und dem Remstal dar“, sagt die stellvertretender Stuttgarter ADFC-Vorsitzende Gesine Schleth. Das wird nicht zwingend so bleiben, derzeit sei aber aus genau diesem Grund am Radweg „noch viel Luft nach oben“, so Schleth. Die Verbindung sei einfach noch nicht fertig, sondern nur ein Teilstück, zumal bislang nur in Richtung Fellbach.

Ausbau geht weiter

„Die Planungen sehen vor, den Radverkehr zwischen Fellbach und Bad Cannstatt noch stärker auf der Waiblinger- und Nürnberger Straße zu bündeln“, sagt der Stadtsprecher Oliver Hillinger. Dazu müsse die Radinfrastruktur noch weiter ausgebaut werden, etwa an der Kreuzung Beskidenstraße oder an der neuen Stadtbahnhaltestelle Augsburger Platz – beides ist schon beschlossen.

Die Nürnberger Straße steht also weiter unter Beobachtung – nicht nur unter Kritikern, die sich eine zweite Fahrspur zurückwünschen, sondern auch mit Blick auf die Akzeptanz dieser Art von Radwegen unter den Radfahrern selbst.

Für den ADFC schlägt Gesine Schleth weitere Verbesserungen etwa an der Waiblinger Straße oder am Tunnel vor dem Wilhelmsplatz vor. „Wer den meidet, wird weiter oberhalb nicht auf die Nürnberger Straße wechseln“, vermutet Schleth.

Erst wenn die Strecke durchgängig gut befahrbar sei, werde sie spürbar mehr genutzt und könne könne viele zum Umsteigen aufs Rad bewegen. Das gelte auch für die Weiterführung nach Fellbach.